„Lizenz zum Selbstmord“

In Israel kiffen nicht nur die Soldaten gern. Doch die Befürworter einer Hanf-Freigabe haben gegen die Ultraorthodoxen einen schweren Stand. Ein Kibbuz im Negev hat eine Genehmigung beantragt, um zu medizinischen Zwecke Cannabis anzubauen

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Für die Einschaltquote war die Schlagzeile der TV-Serie „Politika“ auf Israels zweitem Kanal allemal gut: „Über 20 Prozent mehr Strafverfahren wegen Drogenmissbrauchs in der Armee“, hieß es. Selbst bei kämpfenden Einheiten und in Feindesland, sprich: Südlibanon, sei der Missbrauch an der Tagesordnung. Vor einer „strategischen Bedrohung“ warnten gar die Militärs. Konkret ist die Rede von insgesamt fünf Prozent der israelischen Pflichtsoldaten, die Drogen nehmen, wobei zwischen sanften und harten Drogen nicht unterschieden wird. Die meisten der kiffenden Uniformträger – so ergab der jährliche Test von nicht weniger als 13.000 Soldaten – sitzen zudem in der Militärverwaltung.

Doch nicht nur die individuelle Funktionsbeeinträchtigung spiele hier eine Rolle. „Was Besorgnis erregt, ist vor allem der Schaden für das Image von Armee und Staat“, fürchtet Ex-Stabschef Rafael Eitan. Die „abschreckende Wirkung wird schwer angegriffen“. Der Missbrauch von Drogen sei ein Indiz für „unbearbeitete psychologische Probleme“. Tatsächlich sind es nicht selten Soldaten der Verteidigungsarmee, die den Drogenschmuggel mit organisieren.

Die Zahl der Soldaten, die Drogen nutzen, liegt indes weit unter dem gesellschaftlichen Durchschnitt, was nicht zuletzt an der hohen Bestrafung liegen mag. Wer in Uniform mit einem Joint erwischt wird, kommt nicht nur hinter Gitter – er ist zudem auf Lebenszeit vorbestraft. Im zivilen Leben riskieren die Kiffer zwar eine strafrechtliche Ermittlung. Solange die Drogenmenge im Besitz des Verdächtigen nur auf Eigenbedarf schließen lässt, kommt es in der Regel aber nicht zu einem Prozess.

Anonymen Umfragen zufolge hat jeder zweite Schüler schon mal Drogen probiert, und unter den Studenten liegt die Zahl der regelmäßig Marihuana Rauchenden bei 30 Prozent. Die zur TV-Sendung „Politika“ eingeladenen Studenten wagten sich allerdings nur hinter Masken versteckt ins Studio. Denn wer zugibt, auch nur ein einziges Mal an einem Joint gezogen zu haben, kann eine Karriere im Staatsdienst vergessen. Abstreiten hilft nicht, denn meist werden Kandidaten selbst für untere Beamtenposten vor Abschluss eines Arbeitsvertrages von einem Lügendetektor getestet.

Aus Protest gegen die „Politik der Unwissenheit“ und das Nicht-Unterscheiden von sanften und harten Drogen trat bei den letzten Parlamentswahlen die Partei „Aley Hajarok“ („Die grünen Blätter“) an, scheiterte jedoch knapp an der Einzugsquote. Parteigründer Schlomo Sandak propagiert die Legalisierung von Marihuana mit dem Argument, die sanfte Droge vom illegalen Umfeld zu trennen. Vorerst stößt er auf taube Ohren. „Heute Marihuana, morgen Koks“, kontert Gesundheitsminister Schlomo Benisri, Vertreter der ultraorthodoxen Koalitionspartei Schas, und weigert sich eine „Lizenz zum Selbstmord“ zu erteilen. Für Benisri gibt es nur einen Grund, bei dem er – und auch das nur in Ausnahmefällen – den Gebrauch von Marihuana legalisieren würde: zur Erleichterung der Symptome bei unheilbar Kranken.

Die Initiative für den Anbau von Cannabis „aus humanen Gründen“ stammt aus einem Kibbuz im Negev. Jael Agranat wandte sich an das Gesundheitsministerium mit dem Antrag auf zunächst ein Probejahr für den Cannabis-Anbau. „Im Verteidigungsministerium wird der Abzug aus dem Libanon vorbereitet, genauso sollten wir bereit sein, wenn Marihuana für Todkranke legalisiert wird“, meint die Genforscherin, die selbst eine schwere Krebskrankheit hinter sich hat. Jael geht es weder um finanziellen Profit für den Kibbuz, betont sie, noch um eine generelle Legalisierung, sondern allein um die Einzeltherapie, bei der jeder Fall einem Prüfungsverfahren untersteht. Das Anbaugebiet müsste strikt geheim gehalten werden, also nicht auf dem Kibbuzgelände liegen. Dabei soll das Klima gerade im Negev so günstig für den Anbau sein.