Leuchtend grüne Vorbilder

Vor ihrem Parteitag üben sich die Spitzengrünen in angestrengter Harmonie. Doch hinter den Kulissen wird gestritten. Zielscheibe: Jürgen Trittin ■ Von Tina Stadlmayer

Reinhard Bütikofer tut geheimnisvoll. Der Bundesgeschäftsführer der Grünen will nicht verraten, was in dem Brief steht, den er mit Vorstandssprecherin Antje Radcke an alle Delegierten des Parteitages schicken wird. Dabei liegt es auf der Hand: Bütikofer und Radcke werden für den Antrag des Bundesvorstandes werben. Danach sollen künftig bis zu drei der künftig sechs Mitglieder des Führungsgremiums neben dem Parteiamt gleichzeitig auch ein Parlamentsmandat oder ein Regierungsamt wahrnehmen dürfen.

Außerdem werden die beiden natürlich für die „Eckpunkte des Bundesvorstandes zum Atomausstieg“ werben. Darin heißt es: „Die gesetzlich festzulegende Gesamtlaufzeit für AKWs wird nicht mehr als 30 Jahre betragen.“ Vermutlich werden sie ihre ParteifreundInnen auch daran erinnern, dass im Mai in Nordrhein-Westfalen Landtagswahlen anstehen und deshalb vom Parteitag ein positives Signal ausgehen soll. Mit anderen Worten: Kein Ärger und keine Selbstzerfleischung bitte!

Die Spitzengrünen versuchen schon einmal, mit gutem Beispiel voranzugehen. Obwohl sie über die richtige Taktik im Vorfeld des Parteitages zerstritten sind, brüllte beim Treffen der Führungsgremien am Wochenbeginn ausnahmsweise niemand laut herum. Umweltminister Trittin trug in einer Runde aus Bundes- und Fraktionsvorstand sowie grünen MinisterInnen seine Zweifel vor: Die geplante teilweise Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat werde auf dem Parteitag niemals die notwendige Zweidrittelmehrheit bekommen. Radcke schloss sich seiner Meinung an. Andrea Fischer ermahnte Trittin, wegen seiner Kritik an der geplanten Strukturreform. Er könne nicht Unterstützung für seinen Kurs in der Atompolitik erwarten und bei der Strukturreform im Vorfeld herummäkeln. Auch Joschka Fischer reagierte sauer. Ebenso wie Andrea Fischer würde auch er die Trennung von Amt und Mandat am liebsten ganz aufheben.

Für den Parteitag liegt bereits ein Antrag des Realo-Kreisverbandes Stuttgart vor, „keine halbherzigen Entscheidungen“ zu treffen, sondern die Trennung von Amt und Mandat ganz zu streichen. Dafür wird es natürlich keine Mehrheit geben. Eine größere Chance haben die Anträge, nach denen alles weitgehend so bleiben soll, wie es ist. Auch ein neuer Kompromiss ist denkbar: dass die Trennung von Amt und Mandat nur für die Posten der beiden Parteivorsitzenden beibehalten wird. Beim Thema Atomausstieg ist der Streit ebenfalls vorprogrammiert. Radcke befürchtet, dass die Konsensgespräche der Bundesregierung mit der Industrie bis zum Parteitag noch nicht abgeschlossen sein werden. Die Delegierten können also voraussichtlich nur über Zwischenergebnisse abstimmen. Trittin droht eine Niederlage. Die Delegierten könnten seine Verhandlungslinie (30 Jahre Gesamtlaufzeit und flexible Einzelvereinbarungen auf der Basis von Strommengen) in Bausch und Bogen ablehnen. Ursprünglich hatte Trittin gehofft, dass die Gespräche bis zum Parteitag abgeschlossen sein würden. In diesem Fall hätten die Delegierten die Vereinbarung nur schwer kippen können. Nun droht ihm eine heftige Auseinandersetzung mit den aktiven Atomkraftgegnern in seiner Partei.