Ganze Dörfer versinken in den Fluten

Hunderte Menschen sind ertrunken, hunderttausende obdachlos, alle wichtigen Überlandverbindungen gesperrt. Die wochenlangen Regenfälle im südlichen Afrika haben ganze Landstriche unter Wasser gesetzt ■ Von Kordula Dörfler

Johannesburg (taz) – Die Region gleicht einer bizarren Seenlandschaft, hier und da unterbrochen von ein paar Baumspitzen. In der seit Jahrzehnten schlimmsten Flutkatastrophe ist der Süden Mosambiks in einer trübbraunen Brühe untergegangen. Schon Anfang Februar regnete es im gesamten südlichen Afrika ungewöhnlich stark. In der vergangenen Woche hat der tropische Wirbelsturm Eline die Katastrophe in Mosambik noch einmal drastisch verschärft und auch in Simbabwe und dem Norden von Südafrika erneut zu verheerenden Überschwemmungen geführt.

Fast eine Million Menschen in der Region sind obdachlos geworden, mehrere hundert ertranken in den Fluten. In Simbabwe hat die Regierung von Präsident Robert Mugabe jetzt für drei Provinzen im Südosten des Landes den Ausnahmezustand erklärt. Sämtliche Straßen zwischen Botswana, Südafrika und Mosambik waren am Wochenende gesperrt, weil die Grenzflüsse auf mehrere Kilometer Breite angeschwollen sind.

Besonders hart getroffen ist Mosambik. Noch ist der genaue Schaden nicht bezifferbar. So viel aber ist klar: Ein großer Teil des mühsamen Wiederaufbaus des bettelarmen Landes am Indischen Ozean ist vom Regen weggespült worden. Fast 17 Jahre lang führten die heutige Regierungspartei Frelimo und die rechten Rebellen von Renamo nach der Unabhängigkeit von Portugal 1975 einen blutigen Bürgerkrieg. Seit den ersten freien Wahlen von 1994 begann der Wiederaufbau von zerstörten Straßen und Brücken. Mosambik, eines der ärmsten und am höchsten verschuldeten Länder der Welt, wurde zur Erfolgsgeschichte der westlichen Geberländer und der Weltbank. Zwar profitierte die Bevölkerung unmittelbar nur wenig von den prestigeträchtigen Großprojekten. Doch mit dem Wiederaufbau des Straßennetzes erhielt die Landbevölkerung wenigstens Zugang zu den Märkten.

Die Katastrophe trifft in erster Linie die Ärmsten der Armen. Fast 80 Prozent der Bevölkerung Mosambiks leben auf dem Land. Ganze Dörfer aus traditionellen Lehmhütten versanken schutzlos in den Fluten. Straßen und Brücken wurden weggespült, in vielen Städten die Trinkwasserversorgung überflutet. Rund 300.000 Menschen wurden obdachlos, weitere 300.000 brauchen Lebensmittelhilfe, so schätzt die Regierung vorläufig, mindestens 800.000 sind von den Auswirkungen der Katastrophe betroffen. Wegen verschmutzten Trinkwassers drohen außerdem Seuchen wie Cholera und Typhus.

63 Millionen US-Dollar, so Präsident Joaquim Chissano, seien nötig, um wenigstens die schlimmsten Schäden zu beheben und Nothilfe für die Bevölkerung zu leisten. Seit Tagen kämpfen die Mitarbeiter der Hilfswerke mit den Fluten. Die meisten überschwemmten Gebiete sind nur noch auf dem Luftweg zu erreichen. „Unser größtes Problem ist ein logistisches: Wie bringen wir die Lebensmittel zu den Menschen“, sagt Inyene Udoyen, ein Sprecher für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP). Wegen der erhöhten Seuchengefahr hat auch die UNO an den Westen appelliert, 13 Millionen US-Dollar zur Verfügung zu stellen. Allein rund um die Hafenstadt Beira werden täglich durchschnittlich 15 neue Fälle von Cholera registriert.

Mehrere westliche Länder haben Hilfe zugesagt und Experten nach Mosambik geflogen. Auch das BMZ hat 500.000 Mark zur Verfügung gestellt, um Nothilfe zu leisten. Das Schlimmste aber, so befürchten die Hilfsorganisationen, steht erst noch bevor. In den nächsten Tagen wird eine Hochwasserwelle der Flüsse aus dem Hochland von Simbabwe und Südafrika, die in Mosambik ins Meer münden, zu erneuten Überschwemmungen führen und die Hilfsoperationen zum Stillstand bringen.

Unterdessen sind sich die Meteorologen uneins über die Ursachen der ungewöhnlich starken Regenfälle. „So viel Regen gab es seit Jahrzehnten nicht mehr“, sagt Michael de Villiers, Metereologe am Wetteramt in Pretoria, gegenüber der taz. Er verweist allerdings darauf, dass es im südlichen Afrika Wetterzirkel von 14 bis 22 Jahren mit wechselnden Dürren und starken Regenfällen gibt. Einen Zusammenhang mit dem El-Niño-Phänomen oder einer globalen Erwärmung wollte de Villiers nicht sehen. Dem widerspricht Ian McDonalds vom Wildlife Fund for Nature. Die Katastrophen im südlichen Afrika stünden eindeutig im Zusammenhang mit der Erwärmung der Erde. „Hitzewellen, Flutkatastrophen, Hurrikane und Wirbelstürme sind auf der gesamten Welt weitaus häufiger geworden.“ Auch im südlichen Afrika. Und das Wetter spielt verrückt: In der größten Hitzewelle seit Jahrzehnten gingen in der Kapregion in Südafrika tausende Hektar Land in Flammen auf.