Gläubigerbanken suchen bei Bohrfirma nach Geld

Flowtex-Chefs betrogen 80 Banken und Firmen um Milliarden. Luxusgüter konfisziert

Nürnberg (taz) – Im abrupt zu Ende gehenden Märchen aus dem badischen Ettlingen ist alles drin: zwei in Luxus schwelgende beliebte Helden mit dunkler Vergangenheit, ein dankbarer Landesfürst und ein geheimnisvoller Orientale, gewiefte Geschäfte und gierige Claqueure – und in den undankbaren Nebenrollen überforderte Wirtschaftsprüfer und schludrige Geldgeber. Seit 10 Tagen sitzen die beiden Hauptakteure im Verließ, 4.000 Mitarbeiter zittern um ihren Arbeitsplatz und rund 80 Banken und Firmen rechnen seither aus, was sie der Spaß gekostet hat.

Gestern trafen in Frankfurt Gläubigerbanken, Insolvenzverwalter und Treuhänder zusammen, um eine wahrscheinlich Wochen dauernde Beratung zu beginnen über den Umgang mit dem Betrugsunternehmen Flowtex. Auf rund zwei Milliarden Mark wird der Schaden derzeit geschätzt.

Dabei begann alles so harmlos mit einer Lizenz zum Verlegen von Rohren, die die beiden Unternehmer Klaus Kleiser und Manfred Schmider in den USA beantragt hatten. Zwar stand der ehemalige Auto- und Schrotthändler Schmider 1986 unter dem Verdacht, durch die Vortäuschung eines Raubüberfalls seine Versicherung um zwei Millionen Mark gebracht zu haben, doch nachweisen konnte das keiner. Mit der Möglichkeit, Rohre zu verlegen ohne das Erdreich aufzubuddeln, wurde Flowtex auf dem deutschen Markt sehr erfolgreich. Bis heute ist ein Konglomerat von rund 90 Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 1,3 Milliarden Mark und mehr als 4.000 Angestellten entstanden. Und die Banken finanzierten die zukunftsorientierte Technologie. Doch den Herren Schmider und Kleiser ging das nicht schnell genug – so halfen sie durch fingierte Angaben nach.

Die Bohrgeräte, exklusiv für Flowtex produziert, verkaufte die Muttergesellschaft an Franchisepartner, die diese dann an ihre Kunden aus dem Baubereich vermietete. Nach außen waren alle Firmen voneinander unabhängig, in Wirklichkeit gehörten jedoch alle zum Flowtex-Konzern. So konnten Leasing-Geschäfte über Bohrgeräte abgeschlossen werden, die gar nicht existieren – bis zu drei Viertel der Geschäfte sollen faul gewesen sein.

Die Schmider-Kleiser-Gruppe wuchs mit rasender Geschwindigkeit, immer neue Kredite standen zur Verfügung, noch vor wenigen Monaten sollte eine Anleihe von weiteren 300 Millionen Euro auf den Markt gebracht werden. Kleiser und Schmider genossen derweil ein luxuriöses Leben mit einem Anwesen in Karlsruhe, einem Chalet in St. Moritz, einer Finca auf Mallorca und eigenem Jet. Landesvater Erwin Teufel schwärmte vom „Glücksfall und Aushängeschild für die Region“, als die Flowtex-Unternehmer die Grundsteinlegung für einen 100-Millionen-Bürokomplex feierten. Über eine Million Mark soll, so der Spiegel, das rauschende Fest gekostet haben. Unter den illustren Gästen war Ex-Ministerpräsident Lothar Späth und CDU-Fraktionschef Günther Oettinger. Kleiser und Schmider soll der Deal mehr als 300 Millionen Mark in die Kasse gespült haben. Und wahrscheinlich standen auf der Gästeliste auch leitende Herren der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, die trotz undurchsichtiger Konzernstrukturen und fehlenden konsolidierten Abschlusses die Bilanzen der Jahre 1997 und 1998 testiert hatten. Dazu hatte die renommierte Rating-Agentur Standard & Poor’s für Unternehmen und geplante Anleihe die Benotung BBB minus vergeben.

Wahrscheinlich nicht auf der Gästeliste der Karlsruher Gala hingegen stand ein ehemaliger Banker und Geschäftspartner Schmiders, der die Mannheimer Staatsanwaltschaft durch eine Strafanzeige Mitte November 1999 in Bewegung setzte. Seine Vorwürfe reichen von Bilanzbetrug bis zu Verstößen gegen das Geldwäschegesetz. Zur Zeit sind die Ermittler damit beschäftigt, den Gesamtschaden zu addieren – private Villen, Yacht und Flugzeuge wurden vorsorglich konfisziert. Zwei Insolvenzverfahren sind bereits eingeleitet, ein drittes könnte folgen. Ein glückliches Ende wird es, im Gegensatz zu den Märchen, wohl hier nicht geben.

Horst Peter Wickel