Nordirlands Regierung suspendiert

Obwohl die IRA grundsätzlich zur Abrüstung bereit ist, will die Regierung in Londondie Provinz selbst kontrollieren. Doch Verhandlungen sind in Sicht ■ Von Ralf Sotscheck

Dublin (taz) – Die britische Regierung hat am Freitag um Mitternacht Nordirlands Regionalregierung nach nur neun Wochen Amtszeit aufgelöst. Die Krisenprovinz wird seitdem wieder direkt von London aus regiert. Das britische Unterhaus hatte diese Maßnahme bereits am Dienstag abgesegnet, weil die Irisch-Republikanische Armee (IRA) sich bisher geweigert hatte, ihre Waffen abzugeben.

Am späten Freitagabend stimmte die IRA zwar zum ersten Mal prinzipiell der Abrüstung zu, doch die Erklärung kam zu spät. Die IRA hatte gegenüber der Abrüstungskommission unter Leitung des kanadischen Generals John de Chastelain angekündigt, sie werde „überlegen, wie Waffen und Sprengstoff im Rahmen der vollen Umsetzung des Friedensabkommens vom Karfreitag 1998 und der Beseitigung der Konfliktgründe unbrauchbar gemacht werden können“.

Die britische Regierung hält die IRA-Erklärung für „äußerst bedeutsam“. Die Organisation habe den Rubikon überschritten, sagte ein Regierungssprecher. Nordirlandminister Peter Mandelson fügte hinzu, das könne die Grundlage für die baldige Wiedereinsetzung der Belfaster Regierung sein. Die IRA müsse zuvor jedoch klären, unter welchen Bedingungen sie zur Abrüstung bereit sei. Eine internationale Kommission soll bereits nächste Woche mit der Überprüfung des Friedensabkommens beginnen und mit den Beteiligten wieder verhandeln.

Der stellvertretende nordirische Premierminister Seamus Mallon von den katholischen Sozialdemokraten sprach sich gegen Neuverhandlungen aus und plädierte dafür, die Regionalregierung so schnell wie möglich wieder einzusetzen. Er warnte, dass die IRA-Abrüstung wegen der Suspendierung der Regierung in weite Ferne gerückt sei.

Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams vom politischen Flügel der IRA sagte am Wochenende, er wisse nicht, ob seine Partei an den weiteren Verhandlungen überhaupt teilnehmen werde. Unklar sei auch, ob die IRA den Kontakt zu de Chastelains Abrüstungskommission aufrechterhalten werde. „Mandelson hat die Vorschläge der IRA durchkreuzt“, sagte Adams, „indem er die Regierung suspendiert hat, weil David Trimble ihm ein Ultimatum gesetzt und angedroht hat, als Premierminister zurückzutreten.“

Unionistenchef Trimble gab dagegen Sinn Féin die Schuld. Er musste sich am Samstag dem Rat seiner Unionistischen Partei stellen, der im November der Bildung einer Regierung mit Sinn-Féin-Beteiligung nur unter der Bedingung zugestimmt hatte, dass die IRA bis Ende Januar mit der Abrüstung beginne. Die IRA-Erklärung vom Freitag sei zu vage gewesen, als dass der Parteirat sie als ausreichend erachtet hätte, sagte Trimble.

Im Falle seines Rücktritts wären Neuwahlen für das Amt des Premierministers notwendig gewesen, wenn die Regierung wieder eingesetzt werden sollte. Dabei hätte Trimble die Mehrheit wohl verfehlt. Trimble sagte am Samstag, eine neue Regierung mit Sinn Féin werde es nur dann geben, wenn die IRA mit der Abrüstung beginne.