Chaos, ganz nett und freundlich

■ Das Tin Hat Trio überzeugte mit furiosen Klanggemälden im Vegesacker KITO. Die Zuhörer bekamen 50 Konzerte in einem

Es ist schon ein recht ungewöhnliches Stil-Mosaik, das das in San Francisco beheimatete Tin Hat Trio auf die Bühne bringt. Da verbinden sich Tango-Elemente, Musette- und Walzer-Klänge mit osteuropäischen Melodiefragmenten. Hin und wieder klingen Bluegrass- oder Blues-Partikel an, spanisch und brasilianisch anmutende Gitarrenlinien tauchen auf, und dazu werden Komponenten aus Klassik und Jazz gemixt. Das Resultat dieser eigenwilligen Stilmixtur ist dabei alles andere als ein eklektisches Nebeneinander. Vielmehr werden die unterschiedlichen Einflüsse von den drei MusikerInnen zu ebenso dichten wie vielschichtigen Klanggemälden verarbeitet.

Manchmal verweben die drei traumhaft aufeinander eingespielten InstrumentalistInnen die divergenten Klangfarben, manchmal lassen sie sie einzeln strahlen. Mit ausgeklügelten Rhythmus- und Tempowechseln verstehen sie es zudem, immer wieder dramatische Akzente und Wendungen zu inszenieren. Die Stimmungen verändern sich ständig. Die einzelnen Stücke wirken wie Filmmusikminiaturen, eine auch deshalb nahe liegende Assoziation, weil Gitarrist Mark Orton, aus dessen Feder die meisten Kompositionen stammen, auch Filmscores schreibt.

Auf akustischer Gitarre und slide gespielter Dobro sorgte er sowohl für die rhythmische Basis wie für melodische Verzierungen und klangliche Ausflüge in Blues- und Bluegrass-Bereiche. Die Tango- und Musette-Komponenten waren natürlich durch den Sound des Ackordeons von Rob Burger geprägt. Erfreulicherweise wechselte er manchmal zum mit Metallklammern, Ketten und Industrieschaum präparierten Flügel, wodurch die Klangvielfalt deutlich erweitert wurde, denn der Akkordeonsound ist doch sehr dominant und eigen.

Geigerin Carla Kihlstedt begeisterte durch ihr furioses Auftreten. Sie sorgte auch immer wieder für schrille Akzente, jene kleinen dissonanten Kratzbürstigkeiten, die den wohlklingenden Kompositionen Kanten und Ecken verliehen. Ansonsten changierte ihr Geigenspiel wunderbar zwischen klassischen Linien, schluchzender Zigeunergeige und Manouche- bzw. Hot Club de France-Swing. Im zweiten Set steigerte das Trio noch die Dramatik und Vielschichtigkeit ihrer Musik, klang stilistisch noch offener und experimentierfreudiger. Das Publikum bekam ungefähr fünfzig Konzerte in einem. Durch ihr sympathisch unprätentiöses Auftreten schufen die MusikerInnen zudem eine entspannte, freundliche Atmosphäre, die ihre aufregende Musik wunderbar kontrastierte. Arnaud