Mamma-Screening ade?

■ Neue Studie brachte niederschmetternde Ergebnisse des Brustkrebs-Screenings in die Öffentlichkeit / Interview

Bremen hat alle Vorbereitungen getroffen, um noch in diesem Jahr einen Modellversuch für ein Brustkrebs-Screening zu starten. Dabei sollen sich 70.000 Bremerinnen zwischen 50 und 70 Jahren regelmäßig mammografieren lassen. Ziel dieser Röntgen-Reihenuntersuchung nach skandinavischem Vorbild sei die Früherkennung von Brustkrebs, hieß es. In Ländern, wo ein solches Mamma-Screening stattfinde, sei die Sterblichkeit durch Brustkrebs gesenkt worden. Aber ausgerechnet jetzt wurde in der englischen Medizin-Fachzeitschrift „The Lancet“ eine Untersuchung veröffentlicht, nach der alle bisherigen Screenings einen solchen positiven Effekt überhaupt nicht hatten. Dieser Erkenntnis liegt eine Auswertung von acht großen internationalen Studien zu Grunde, wonach sechs methodologisch fehlerhaft waren.

taz: Was halten Sie von dieser im Januar veröffentlichten Studie?

Dr. Friederike Perl, Gynäkologin und Referentin des bundesweiten „Arbeitskreises Frauen Gesundheit“ (AKF): Es ist eine der gründlichsten und systematischsten Analysen, die jemals von den Mammografie-Studien gemacht wurden. Die renommierte Cochrane-Collaboration, die diese Studie gemacht hat, geht nach international festgelegten Kriterien vor, anhand derer die methodologische Qualität von Studien beurteilt wird. Nur Studien, die diesen Qualitätskriterien standhalten, werden dann in sogenannte Meta-Analysen einbezogen. Von den acht internationalen Studien zum Mamma-Screening wurden sechs als methodologisch wackelig bezeichnet.

Solche methodologischen Probleme bestanden, so der Lancet, darin, dass in manchen Studien beispielsweise die Vergleichsgruppen, also die jeweilige Screening- und die Kontrollgruppe, zu verschieden waren. Alter oder soziale Herkunft – beim Brustkrebs wichtige Kriterien – klafften etwa auseinander.

Richtig. Bis auf zwei Studien sind alle in ihrer Aussagekraft stark eingeschränkt. Den kritischen Bewertungsmaßstäben haben nur eine Studie aus Kanada und eine aus Malmö standgehalten. Doch gerade diese wiesen keinen bedeutsamen Effekt zur Verbesserung der Mortalität durch mammografisches Screening aus.

Wieso gibt es solche Ergebnisse erst jetzt, nach rund 30 Jahren Forschung?

Die systematische Bewertung der Studien ist eine sehr komplizierte Sache, die nicht jeder Mensch und auch nicht jeder Doktor auf Anhieb durchführen kann. Dazu bedarf es eines gewissen Trainings in der klinischen Epidemiologie. Das genau ist die Aufgabe der Cochrane-Collaboration – die eben erst jetzt erfolgt ist. Insofern kann man den meisten Leuten vielleicht auch kaum Vorwürfe machen, dass sie bislang zu einer anderen Einschätzung kamen.

Dazu muss man sagen, dass die Studien einen positiven Effekt zwar nicht beweisen können – ihn aber auch nicht sicher ausgeschlossen haben; die kanadische und die Malmö-Studie haben – an zusammen 130.000 Frauen – nachgewiesen, dass der Effekt höchstens fünf bis zehn Prozent betragen könnte – aber um dies mit Sicherheit nachzuweisen, hätten die Studiengruppen größer sein müssen. Es ist aber auch möglich, dass dieser Effekt nicht existiert.

Sie sprechen von einem Effekt von maximal fünf bis zehn Prozent. In Bremen hat man in Anlehnung – an eine beim „Lancet“ durchgefallene schwedische Studie – von einem möglichen Effekt von 30 Prozent gesprochen. Das klingt nach viel – aber was bedeutet das – bezogen auf die Zahl der untersuchten Frauen?

Die jetzt vorgelegte Kritik bestätigt ja keine solch hohen Effekte. Aber ich will hypothetisch antworten. Von hundert Frauen, die zum Screening gehen, kann weniger als eine über den Zeitraum von sieben bis zehn Jahren hoffen, davon zu profitieren. So sehen es die Optimisten des Screenings. Diese Zahl wird sicherlich nach unten korrigiert werden müssen, wenn man die neue Kritik an den Mammografie-Studien einbezieht.

Was sollte diese Kritik Ihrer Meinung nach für die Bremer Planung bedeuten?

Hier ergibt sich eine hochinteressante und potentiell sehr fruchtbare Situation: Wenn wir in Deutschland jetzt eine Studie durchführen könnten, die die Frage beantworten würde, was das mammografische Screening im Vergleich mit professioneller Abtastung bringt, wäre das neu und sinnvoll. Daran wäre sogar das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg interessiert. Dies könnte bedeuten, dass sich dann sogar die Finanzierungsproblematik – die durch eine Ergänzung des geplanten Modells entstünde – erübrigen würde.

Welchen Rat würden Sie Frauen geben, falls das Screening wie geplant als eine Art Röntgen-Reihenuntersuchung – ohne Tastuntersuchung und Ultraschall – durchgeführt würde?

Egal, ob das Screening innerhalb einer kontrollierten Studie oder außerhalb durchgeführt wird, brauchen Frauen eine gründliche Information über die relativen Vor- und Nachteile, die mit dem Screening einhergehen. Es ist ganz klar, dass der Großteil der Frauen nicht hoffen kann, davon zu profitieren. Es wird einen erheblichen Teil von Frauen geben, die durch auffällige Mammografie-Befunde sehr beunruhigt werden. Es muss dafür gesorgt werden, dass diese Beunruhigung in einem vertretbaren Rahmen bleibt. Das ist eine ethische Frage, denn eine frühe Diagnose Brustkrebs durch das Screening kann bedeuten, dass ihnen beschwerdefreie und unbeschwerte Lebenszeit genommen wird – ohne dass ihnen unter Umständen geholfen werden kann. Ich würde aber hoffen, dass die Modalitäten Abtasten sowie gegebenenfalls anschließende Ultraschalluntersuchung in das Bremer Projekt sinnvoll integriert werden könnten.

Fragen: Eva Rhode