Schüttelnund Backen

Henning Harnisch

taz: In Ihrer definitiv letzten Kolumne „Schütteln und Backen“ vom 6. Januar schrieben Sie, Basketball habe Ihnen die Möglichkeit gegeben, die Kindheit um zehn Jahre zu verlängern, jetzt soll auch das Schreiben über Basketball ein Ende haben. Wollen Sie auf Biegen und Brechen erwachsen werden?

Henning Harnisch: Ja, wenn das so einfach wäre. Aber seitdem ich keinen Leistungssport mehr mache, habe ich keinen Spaß mehr am Sport. Das ist schon traurig.

Und das Ende der Basketball-Kolumne?

Das Schreiben über den Sport hat mir die Möglichkeit gegeben, die Sportkarriere nach und nach aufzurollen. Ich wollte mein Wissen über Basketball mit der Festschreibung meiner Sportvergangenheit verbinden. Und ich wollte zeigen, was sich im deutschen Basketball in den vergangenen Jahren mit dem Kulturtransfer von Amerika nach Deutschland verändert hat.

■ „Es gibt keinen Drang mehr, über Basketball zu schreiben – ein sehr schöner Moment.“

Der Spaß ist also abhanden gekommen?

Es hat mir schon auch Spaß gemacht, mit einem verfremdeten Ich über Basketball als kulturelles Phänomen zu schreiben. Da war ich leidenschaftlich dabei. Das Schreiben hat den Sport ein wenig ersetzt. Außerdem gab es das einfach nicht, dass jemand regelmäßig über Basketball geschrieben hat, unabhängig vom Tagesjournalismus.

Was tritt an die Stelle des Kolumnen-Schreibens?

Das Nichts.

Ach, wirklich.

Nein, aber die letzten beiden Kolumnen hatten schon nichts mehr mit Basketball zu tun. Nach der letzten habe ich einige Mails mit der Frage bekommen, ob ich Depressionen hätte. Dabei war das ja ein literarisches Ich im Text, nicht das wirkliche. Trotzdem schön, dass die Leute so reagieren. Aber das Thema war nicht, in der Kolumne über meinen Alltag zu schreiben. Mein Ziel war immer, auf die Wahrheit-Seite der taz zu kommen.

Ist das wahr?

Nein, nicht wirklich, ich wollte mich einfach nicht auf die Rolle festschreiben lassen: der Ex-Profi schreibt über seine Vergangenheit.

Sie scheinen den Abgang auf höchstem Niveau zu bevorzugen, erst bei ihrem letzten Basketballklub Alba Berlin, nun als Kolumnist bei den taz -Leibesübungen?

Das Ende der Kolumne lässt sich mit meinem sportlichen Rücktritt nicht vergleichen. Die „Rücktritte“ sind in keiner Weise inszeniert. Das war jeweils schon lange vorher in mir drin. Es gibt einfach keinen Drang mehr, über Basketball zu schreiben. Das ist eigentlich ein sehr schöner Moment, sich von diesem Sportlerleben zu lösen. Das Aufhören ist auch nicht gedacht als das Ende von allem, sondern ich will weiterkommen.

Mit kulturpessimistischen Stücken wie zuletzt?

Nein, das ist nicht mein Ziel, wobei klar ist, dass der Spaß im Sport einer zunehmenden Professionalisierung und der Maximierung von Leistung weicht und dass etwas Ursprüngliches verloren geht. Ich verstehe Sport dagegen als Spiel. Das kollektive Arbeiten im Team hat mich immer fasziniert.

Wird es Ihre Texte als Buch geben?

Ich fänd’s nett, wenn alle Kolumnisten der taz-Leibesübungen ein Buch zusammen machen würden: Peter Unfried mit einer sehr essayistischen Medienkritik; Yves Eigenrauch mit seinem eigenen Stil; Christoph Biermann als einer, der beim Fußball immer dabei ist; Albert Hefele – der alleswissende Sesselhocker. Nur meine Texte – das fänd’ ich vermessen. Es kann nicht sein, dass jemand seine ersten Texte schreibt und es gleich binden lässt.

Bei Ihnen stellt sich aber nun hoffentlich kein Horror Vacui ein, Sie sind beschäftigt, Herr Präsident?

Ja, ich stehe der Spielergewerkschaft (Vereinigung der Basketball Vertragsspieler e.V., im Dezember gegründet; d. Red.) vor. Was diese Position nun wirklich bedeutet, ob sie nur eine komische Kerbe in der Biografie ist, wird sich zeigen. Auch das war ein Grund, mit der Kolumne aufzuhören.

Wieso?

Vielleicht ein Beispiel zur Erklärung: In der Frage der ausländischen Spieler kollidiert das politische Ich des Präsidenten, das sagt, im Interesse der Spieler der Bundesliga soll es eine Beschränkung von Nicht-EU-Spielern geben, mit dem Ich, das sagt, im Sport sollen die Grenzen offen sein. Das lässt sich mit einer Kolumne nur schwer verbinden. Und was das für die eigene Integrität bedeutet – damit habe ich mich überhaupt noch nicht auseinandergesetzt.

Ist die Spielergewerkschaft schon ein Machtfaktor innerhalb des deutschen Basketballs?

Der Verband und die Bundesliga GmbH haben die Gründung zur Kenntnis genommen. Unser Geschäftsführer tingelt jetzt durchs Land von Verein zu Verein, um zu werben und Überzeugungsarbeit zu leisten.

Die Leser scheiterten regelmäßig, wenn sie den Kolumnentitel „Schütteln und Backen“ enträtseln wollten: Was bedeutet der?

Im amerikanischen Straßenslang heißt es „shake and bake“. Man hat den Ball und will am Gegenspieler vorbeiziehen, macht also extrem schnelle Körpertäuschungen, bringt quasi seinen Körper zum Schütteln. Der andere ist dadurch so verwirrt, dass man locker vorbeispazieren kann. Dann hat man den Schüttel-Effekt fest gebacken. In der deutschen Sprache funktioniert das natürlich überhaupt nicht. Ist eher eine sprachliche Unleistung.

Warum hieß die Kolumne trotzdem so?

Man kann es auch auf das Schreiben übertragen. Man hat etwas im Kopf und schüttelt das heraus und bäckt es auf Papier.

Interview: Markus Völker