Beleidigte Herzen

Schinken erschüttert Thailand: „Anna und der König“ wühlt Zensoren und Schmuggler auf

Bangkok (taz) – Hollywood darf den thailändischen Zensoren dankbar sein: Seit die Filmbehörde in Bangkok den Film „Anna und der König“ wegen „Beleidigung der Monarchie“ und „Verzerrung der Geschichte“ im Dezember verboten hat, gerät er immer wieder in die Schlagzeilen. Jetzt hat das Werk seine ersten Opfer gefunden: Eine thailändische Studentin wurde mit 200 illegalen Video-CDs des Films verhaftet, als sie die Scheiben an einen Bekannten übergeben wollte. Den beiden droht jetzt nicht nur Anklage wegen Schmuggelei von Raubkopien. Sie müssen auch mit einer Anklage wegen „Majestätsbeleidigung“ rechnen. Das kann sie im schlimmsten Fall den Kopf kosten. In Thailand ist Kritik an der königlichen Familie und ihren Vorfahren tabu.

Ob es sich lohnt, für diesen Film zu sterben, können die meisten Thailänder nicht beurteilen, da er in ihrem Land nicht gezeigt werden darf. Der Streifen, mit Jodie Foster und dem Hongkonger Action-Star Chow Yunfat in den Hauptrollen, ist die Geschichte einer unmöglichen Liebe zwischen einer englischen Gouvernante und dem thailändischen König Mongkut im letzten Jahrhundert. Es ist die dritte Verfilmung eines Romans, der auf den Erinnerungen einer echten Gouvernante, Anna Leonowens, beruht. Diese war 1862 mit ihrem Sohn an den Hof von Siam – wie Thailand damals hieß – gereist, um dort Englisch zu unterrichten.

Nach Auskunft der Prüfer wimmelt es im Film von bösen Fehlern: So wagt es Jodie Foster, dem König direkt in die Augen zu sehen. Obwohl die „Twentieth Century Fox“ auf Intervention der Thailänder mehrfach das Drehbuch änderte, verbot Bangkok, an den Originalschauplätzen zu drehen. So wurde der Film in Malaysia hergestellt – vor einer üppigen Kulisse falscher thailändischer Paläste, Tempel und Pagoden.

Zeitungskommentatoren fragten zwar besorgt, ob die Bevölkerung nicht reif genug sei, den Unterschied zwischen einer Romanverfilmung und Geschichtsunterricht zu erkennen. Es half nichts. Nach langer Debatte einer eigens zusammengerufenen Jury aus Zensoren, Hof- und Regierungsbeamten, Akademikern, hohen Militärs und Journalisten fiel im Dezember das endgültige Urteil über „Anna und der König“: abgelehnt.

Das heißt: Der Film darf weder in Kinos noch privat gezeigt werden. Sogar der Besitz von Videokassetten oder CDs ist streng untersagt. Die „United Artists“-Kinos in der „Emporium“-Mall allerdings zeigen eine Vorschau – „Bald auch in diesem Kino“.

Jutta Lietsch