Nachgefragt
: „Unsere Kritik wir von vielen geteilt“

■ JVA-Beirat verteidigt seine laute Kritik

Um den Jugendvollzug gibt es Streit. Nachdem der ehrenamtliche Beirat der JVA Blockland die Zustände dort scharf kritisierte, wies Justizstaatsrat Ulrich Mäurer die Vorwürfe zurück. Über die Hintergründe des Disputs sprach die taz mit dem Vorsitzenden des Anstaltsbeirats, dem Bremer Rechtsanwalt Heinrich Theilmann.

taz: Der Justizstaatsrat wirft Ihnen Profilierungssucht, Besserwisserei und Nutzlosigkeit vor. Haben Sie kein schlechtes Gewissen wegen Ihrer Veröffentlichung?

Nein. Wenn im Jugendstrafvollzug weiter gespart wird, wenn Freizeitmaßnahmen ständig runter gefahren werden und wenn der Erziehungsgedanke, der über dem Jugendvollzug steht, gegenüber dem Sicherheitsgedanken ständig an Bedeutung verliert, bleibt uns kein anderer Weg. Wir können natürlich nicht mit vertraulichen Informationen an die Öffentlichkeit gehen, das versteht sich von selbst. Daraus bezieht der Herr Mäurer wohl seine Auffassung, dass wir nicht auf diese Missstände hinweisen dürften. Das halte ich für hanebüchen. Die Ressortsprecherin hatte uns schon nach dem Todesfall im Blockland diesen Sommer einen Maulkorb verpassen wollen.

Was hat Sie denn konkret veranlasst, beispielsweise festzustellen, „ein Konzept für die Gestaltung des Jugendvollzugs liegt nicht vor“?

Vor einiger Zeit war die Praxis der Bremer Jugendgerichte, weniger Freiheitsstrafen zu verhängen. Es gab also nur noch relativ wenige Jugendliche im bremischen Vollzug. Deshalb machte man mit Niedersachsen einen Vertrag über die Aufnahme von Jugendlichen. Wir haben dafür ein neues Konzept gefordert, um zu klären, was mit den Jugendlichen hier passieren soll. Beispielsweise wie Wohngruppen zugeschnitten werden und ob es Begegnungsräume geben soll? Aber wir wurden von Herrn Mäurer nur vertröstet. Auch die Anstaltsleiterin, die das Konzept dann schreiben sollte, hat es weiter delegiert. Ein solches Konzept liegt bis heute nicht vor.

Sie schreiben, „sinnvolle Freizeitbeschäftigung ist nicht gewährleistet, dafür aber Fernsehkonsum auf allen Kanälen rund um die Uhr. Von Erziehungsvollzug kann keine Rede sein.“

Ja. Das Klientel im Vollzug ist schwierig. Es sind häufig Jugendliche, die Nestwärme oder intakte Familien nicht kennen und teils auf der Straße groß geworden sind. Natürlich sind sie in einer konkreten Situation schuldig geworden – aber sie sind nicht allein schuld. Es ist Aufgabe der Gesellschaft und der Gedanke des Jugendgerichtsgesetzes, erzieherisch auf diese Jugendlichen einzuwirken, weil dort erzieherische Defizite bestehen. Da reichen schulische Maßnahmen nicht aus. Es muss in der Wohngruppe jemand sein, der die Jugendlichen anspricht und mit ihnen arbeitet.

Der Staatsrat verweist auf eine millionenschwere Sanierung des Jugendvollzugs, während Sie Missstände am Haus kritisieren.

Bei der Sanierung wäre es nötig gewesen, vorher zu wissen, wie Jugendvollzug strukturiert sein soll – und nicht Millionen in die Kosmetik oder Sanierung der maroden Bausubstanz zu geben. Man kann nicht erst das Geld ausgeben – und hinterher das Konzept entwickeln.

Wie wird es weitergehen?

Ich gehe davon aus, dass wir über den Bericht, der mit 21 Seiten sehr ausführlich ist und auch Lösungsvorschläge enthält, im Rechtsausschuss sprechen werden.

Fragen: Eva Rhode