Winke, winke, Weihnachtsmann

■ „Das hat alles damit zu tun, dass hier bald Weihnachten gefeiert wird und sich die Menschen alle etwas wünschen dürfen“: Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Berlin-Kultur organisieren den Güteraustausch für sich und andere

Der Darkroom

„Wünsche müssen erfüllt werden, damit Platz wird für neue!“ Die Weisheit dieses Wahlspruchs liegt in seiner reinen Klarheit. Am Anfang wie am Ende dieser ökonomischen Wertschöpfungskette liegt der Wunschzettel. Wohlan! Wünschen wir!

Ich jedenfalls wünsche mir für unseren Altbundeskanzler eine Sitzrolle in „Teletubbies – der Film: Schwarze Konten im Teletubbieland“. Verona Feldbusch als mondänes Kohl-Girl. Das Publikum schüttelt sich und ist gerührt. Ein parabelhaftes Epos über die infantilistische Neuerfindung unseres Sprach- und Wertempfindens. Das ist viel besser als Beugehaft – winke, winke!

Ich wünsche mir einen der Jahrtausendwende angemessenen Stromausfall. Statt des Neu-Berliner Lichtdoms gibt es am Großen Stern dann eine Darkroom-Variante der Love Parade. Wie Tinky Winky und Dipsy fallen sich alle Menschen in die Armee zum überwältigenden Kuschelinferno. Bewegende Bilder: Wir sind das Volk! Dann wird es besinnlich in Berlin, bei Kerzenlicht und Bohnensuppe. Utopisch? Es ist ja nur ein Wunschzettel.Sebastian Handke

Der Super-GAU

Wenn es um Friede auf Erden geht, haben sich bereits Karl May, Arnold Schönberg, Albert Schweitzer und natürlich der liebe Gott himself auf höchst unterschiedliche Art und Weise zu Wort gemeldet. Hinter solchen Geistesgrößen, dachte sich wohl Hans-Joachim Laesicke, seines Zeichens Bürgermeister von Oranienburg im Landkreis Oberhavel, wollte auch er nicht zurückstehen. In seinem Grußwort zum Jahreswechsel schrieb er deshalb mir und seinen restlichen Bürgern ins Gemeindeblatt: „Was wird uns das neue Jahrtausend bringen, fragen sich viele. Wird die Menschheit sich selbst vernichten? Die Palette der Möglichkeiten ist breit. Sie reicht vom atomaren Super-GAU bis zu den tödlichen Folgen eines zügellosen Wirtschaftswachstums und der damit verbundenen Zerstörung unserer Lebensgrundlagen.“

Da wird es einem doch gleich leichter ums Herz, da feiert es sich viel fröhlicher! Gut zu wissen, dass Hajo der Grübler stellvertretend für uns arme Sünder im frisch renovierten Verwaltungssitz, dem Schloss Oranienburg, des Nächtens wacht, das schwer gewordene Haupt auf die Gemeindeordnung gestützt, in ständiger Sorge um die ungewisse Zukunft der ihm von Gott und Wählerwillen anvertrauten Schäfchen. Zum nächsten Weihnachten wünsche ich mir deshalb aufbauende Worte meines Bürgermeisters zum Thema „Und den Menschen ein Wohlgefallen“.Thomas Winkler

Der Strickbikini

1. Ich möchte auf gar keinen Fall den Soundtrack von Disneys „Tarzan“ mit dem Duett von Phil Collins und Eva Matthes haben. Lieber höre ich drei Stunden Nana oder Die dritte Generation. 2. Bitte auch keine „Buena Vista Social Club“-ähnlichen Musik-CDs. 3. Eher trage ich Silvester eine alte, unvorteilhafte, umrahmte Glasbausteine- Brille, bevor ich eine lustige 2000-Brille (Sie können sich’s vorstellen, der Schriftzug als Gestell eben) aufsetze. Also bitte nicht mir schenken, sondern jemandem, den man hasst und blamieren will. 4. Ich wünsche mir keinerlei Bilderrahmen, auf denen alberner Dekoquatsch (Muscheln, Plüsch, Perlen, Glitter) klebt. Ich brauch überhaupt keine Bilderrahmen!! 5. Jedes Jahr wünsche ich mir, dass ich auf einer schönen Party im Strickbikini aus einer Torte hüpfen darf. Wenn mir dieser Wunsch in diesem Jahr erfüllt werden sollte, dann wünsche ich mir, dass es nicht auf einer Multimedia-(Computer/Internet/junge Webdesignfirma/Wasweißich)-Party passiert, sondern auf einer anständigen Geburtstagsfeier oder einer zünftigen Junggesellenparty. 6. Bitte keine Bücher von Banana Yoshimoto, Armistead Maupin, Rita Mae Brown oder Nina George. Buäh. 7. Das Buch über Chindogu hab ich schon zweimal. 8. Über alles andere würde ich mich sehr freuen.Jenni Zylka

Die Drogen

Wenn man klein ist, wundert man sich immer wieder, jedes Weihnachten aufs Neue, warum Eltern so blöd sein können zu sagen, sie würden sich bloß wünschen, dass sich alle vertragen und glücklich sind.

Dabei geht es doch um ganz andere Dinge: Eisenbahnen, Bücher, Hifi-Anlagen. Dann wird man älter und stellt fest, dass man sich die Platten, die man haben möchte, selbst kaufen kann und auch die Hemden und Hosen. Und auf einmal sitzt man da, vor die Aufgabe gestellt, einen Wunschzettel zu schreiben, und muss sich eingestehen: Nur die inneren Werte zählen. (Was natürlich auch mit dem vermaledeiten Millennium zu tun hat, auf einmal muss man sich vor der Ewigkeit verantworten, aber das nur im Beiseite).

Was braucht es also zum glücklich und zufrieden sein? Eine wundervolle Welt, Liebe ohne Grenzen, Drogen in ausreichender Qualität und Quantität und dass man die zentrale Frage der Popkultur – die, die man sich nur im Nachhinein stellen kann, an der man aber, ob man will oder nicht, die Intensität des Neuen immer wieder abgleicht – immer wieder mit einem großen Ja! Immer! Auf jeden Fall! Super! beantworten kann: Werden wir noch einmal so aufgeregt sein?Tobias Rapp

Das Nichts

Ich wünsche mir nichts. Jedenfalls nicht zu Weihnachten. Ich feiere andere Feste und versuche mich aus Weihnachten möglichst rauszuhalten. Auch wenn es schwer fällt, weil es überall glänzt, leuchtet, weihnachtet und irgendwann deswegen selbst im Allerwunschlosesten die Wunschmaschine angeworfen wird. Zwar sage ich dann trotzig immer noch, dass ich mir überhaupt nichts wünsche. Doch wer mir wunschgemäß dann auch nichts schenkt, erfüllt mir keinen Wunsch, sondern beweist mir bloß, dass ich ihm sowieso ganz gleichgültig bin. Das ist dann mein ganz persönlicher Weihnachtsstress.

Und bevor ich mich in meiner verzwickten Wunschökonomie dann völlig verliere, denke ich lieber an meinen Jugendfreund René, der von Weihnachten so ganz und gar nichts wusste. Eines Tages zog er für eine Weile bei mir ein. Es war gerade wieder Weihnachtszeit und er kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Am meisten wunderte er sich über die vielen Kränze mit den Aidsschleifen dran. Zwar kam er aus demselben Land wie das Jesuskind. Einen Adventskranz hatte er trotzdem noch nie gesehen. Auch das Kaufverhalten der Leute hier irritierte ihn zutiefst. Ob man sich denn auf eine drohende Katastrophe vorbereiten würde? „Das hat alles damit zu tun, dass hier bald Weihnachten gefeiert wird und sich die Menschen alle etwas wünschen dürfen“, erklärte ich ihm dann. René zog wieder los, um zu studieren, was also Menschen sich in Deutschland wünschen. Also ich zum Beispiel, ich wünsche mir nichts. Esther Slevogt