In Zentralamerika droht ein neuer Krieg

■ Nicaraguas Präsident glaubt, dass Honduras ihm ein Stück Meeresboden entwendet hat

San Salvador (taz) – Nicaraguas Präsident Arnoldo Alemán haut auf die Kriegstrommel. Seit Honduras und Kolumbien in der vergangenen Woche einen bereits 1986 ausgehandelten Vertrag über eine gemeinsame Seegrenze ratifizierten, droht Alemán dem nördlichen Nachbarland. Zunächst verhängte er Strafzölle von 35 Prozent für honduranische Waren, dann drohte er mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Und schließlich setzte er die Armee in Alarmbereitschaft und versicherte, er werde „nicht zögern, die nötigen Maßnahmen zur Verteidigung der territorialen Integrität des Landes zu ergreifen“. Im Klartext: Er spielt mit dem Gedanken, die Armee auch einzusetzen.

Der Hintergrund des Säbelrasselns ist der nicht geklärte Grenzverlauf zwischen Honduras, Nicaragua und Kolumbien im karibischen Meer. Honduras legt seine Seegrenze mit Nicaragua auf den 15. Breitengrad, was in etwa der Verlängerung der Landgrenze entspricht. Nicaragua aber beansprucht das Meer bis hinauf zum 17. Breitengrad. Nicaragua und Kolumbien streiten sich um die Schmugglerinsel San Andrés, die der nicaraguanische Diktator Anastasio Somoza einst an Kolumbien verkauft hatte. Honduras und Kolumbien haben sich im nun ratifizierten Vertrag auf eine gemeinsame Seegrenze entlang dem 15. Breiten- und 82. Längengrad geeinigt. Alemán glaubt deshalb, dass sich die beiden Länder 130.000 Quadratkilometer nicaraguanischen Meeresboden untereinander aufgeteilt haben.

Außer um Fischereirechte geht es dabei um mehr: Auf dem umstrittenen Meeresgrund werden größere Erdöl- und Erdgasvorkommen vermutet. Zudem steckt Alemán in einer tiefen Popularitätskrise. Seit er im vergangenen Monat den geachteten chef des Rechnungshofs, Augustin Jarquin, ins Gefängnis werfen ließ, sackte seine Beliebtheitskurve noch weiter in den Keller. Siebzig Prozent der Nicaraguaner bewerten seine Regierung laut einer Umfrage als miserabel. Ein bisschen Kriegsgeheul und Nationalismus können da nur helfen.

Die diplomatischen Beruhigungsversuche von Honduras hatten bislang keinen Erfolg. Der honduranische Außenminister Roberto Flores hat inzwischen Beobachter der UNO und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) angefordert.

Mittlerweile wurden auch Truppenbewegungen aus Honduras bekannt. Die Militärs, die jahrzehntelang das Sagen hatten, wurden in den vergangenen Jahren mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt. Auch ihnen könnte ein kleiner Krieg mit dem Nachbarn nur nützen. Toni Keppeler