Der große Bums: „Kicker“ für Frauen

■ Rudi Böhne aus Kreuzberg produziert die erste Zeitung über Frauenfußball: „Women's soccer“. Wird's ein Rohrkrepierer?

Im Marathon gibt es diese Kämpfertypen. Sie sind klein, mit ausgezehrten Gesichtern, und ihre sehnigen Beine enden in viel zu großen Laufschuhen. Sie können zweiundvierzig Kilometer Qualen aushalten. Rudi Böhne aus Berlin-Kreuzberg ist so ein Typ. Den Atem eines Langstreckenläufers braucht der Fünfzigjährige für seine Vision: Er will den „Kicker“ für den Frauenfußball schaffen. Eine erfolgreiche Sportzeitung mit Werbung von Nike und Puma. Name: Women's soccer.

Topaktuell, spannend, eine Prise Boulevard. Die gewünschte Leserschaft: die 750.000 im Deutschen Fußball-Bund organisierten Frauen. Bisher ist Böhne von diesem Ziel noch weit entfernt: Sein Blättchen hat 32 Seiten, einfachstes Layout und erscheint im DIN-A5-Format wöchentlich auf gelbem Kopierpapier. Der größte Teil der 1.000er-Auflage wird aufwendig per Post an die Abonennten verschickt. Doch der „Frauenkicker“ ist in Böhnes Women's soccer schon zu ahnen: Spielberichte aus den Spitzenligen. Elf des Tages und Torschützinnenliste.

Böhne macht alles. Er schreibt, layoutet und verschickt das fertige Heft. 16 Stunden am Tag hat er mit seinem Projekt zu tun – und verdient kein Geld damit. Aus dem Verkauf des Heftes kann er gerade die Produktion bezahlen. Zum Überleben braucht er seinen Bruder, der ihm finanziell unter die Arme greift.

Er hat auch kein Kapital, das er in die Entwicklung stecken könnte. Stattdessen setzt er auf die langsame Entwicklung seiner Vision. Erst muss die Auflage steigen. Mehr Abos müssen her. In ein, zwei Jahren, wenn die Auflage über 2.000 Exemplaren ist, will er sich an die Sportindustrie wenden, um die Anzeigeneinnahmen zu erhöhen. Einen finanzkräftigen Partner sucht er nicht.

Woher die Ausdauer für ein solches Projekt? Nach einer „normalen Kindheit“ in einer niedersächsischen Kleinstadt gerät er zum ersten Mal ins Stolpern. Vor der Bundeswehr flüchtet er Anfang der Siebziger nach Berlin. Schmeißt ein angebrochenes Studium. Spielt stattdessen in einer Folkrock-Band und gründet die Musikzeitung Folk Notizen. Später Backstage. Als die Blätter Ende der Siebziger Pleite gehen, gründet er eine kleine Werbeagentur. Zu seinen Kunden aus der Nachbarschaft gehörte die Berliner Taxivereinigung. „Beim Kaffee ergab es sich“, sagt Böhne, dass er die Zeitung der Vereinigung produzieren sollte. Ein lohnendes Geschäft. Doch dann ließ er sich überreden, eine Zeitung für die Berliner Taxiinnung mitzugründen – die Konkurrenz. Böhne steckte sein ganzes Geld in das Projekt. Und wurde, wie er sagt, gelinkt“. Er verlor „zwischen 70.000 und 100.000 Mark“. Sein Stolpern könnte man Scheitern nennen. Nichts, was Böhne angefangen hat, kam zu einem erfolgreichen Ende. Trotzdem machte er wie ein Marathonläufer einfach weiter. Böhne nennt das so: „Es ergab sich ...“

Ein Freund hatte ihn zufällig zu seinem ersten Frauen-Fußballspiel mitgenommen. Heimspiel vom 1. FC Neukölln. Von 1990 bis 1996 machte er die Stadionzeitung für seinen FC. Schließlich verboten ihm die Vereinsbosse, die Zeitung weiter zu machen. Der Gegner erfahre zu viel über die Mannschaft.

Über Nacht entschied er sich, den Women's Soccer zu gründen.Warum nicht? In der Bundesliga spielen zwölf Mannschaften. Duisburg und Frankfurt dominieren. Aber Turbine Potsdam und WSV Wolfsburg holen auf. Die Frauen der Spitzenmannschaften sind Vollprofis, es kommen sogar Legionärinnen aus dem Ausland, um in Potsdam zu spielen. Böhne will „den Frauen das verdiente Ansehen in der Öffentlichkeit verschaffen“. Dass es sich für seinen „Frauenkicker“ lohnt, hält Böhne für selbstverständlich. „Schauen sie sich doch die Frauen auf dem Bildschirm an“, sagt er und zeigt auf den Fernseher, wo gerade Deutschland gegen Island spielt, „die haben das alle abonniert.“

David Schraven