Ministerin auf Draht

■ Andrea Fischers Entspannungsabend: Die Gesundheitsministerium chattet im Internet. „Ich habe angefangen, Sport zu treiben“

Berlin (taz) – Die Leute sind wild aufs Reden, ein Informationsstau, es muss raus: Wird der Kranke noch optimal behandelt, sollen leistungswillige, intelligente, junge Menschen noch Medizin studieren, wo will die Gesundheitsministerin hin mit ihrer Reform?

Andrea Fischer nippt am Tee, beugt sich über die Tastatur und tippt. Die Schnelligkeit, mit der ihre Finger in die Buchstaben fahren, gibt ihren Antworten Nachdruck: „Ich werbe dafür, dass Gesundheit nicht nur als Reparatur eines Schadensfalls verstanden wird, sondern dass wir uns auch vorher dafür interessieren. Ich habe sogar schon angefangen, Sport zu treiben.“ Siebenfaches Smily.

In 13 Stunden wird Andrea Fischer vor dem Bundestag stehen und ihre Reform-Verteidigungsrede halten. Andere wären vor dem großen Auftritt vielleicht in die Kneipe auf einen Wein gegangen – die Gesundheitsministerin beruhigt sich mit einem Chat im Internet-Café. Ganz nebenbei wirft sie den zuschauenden Journalisten selbstbewusste Antworten ins Notizbuch: „Wie bekannt, scheue ich heftige Debatten nicht. Ich habe für das Gesetz gekämpft, und ich habe noch etwas an Ideen, wie wir es durchkriegen.“ Sie lacht, sie strahlt, sie schlägt auf die Maus, die nicht funktioniert, und verlangt „neue Fragen, gebt mir eine neue Frage!“. Die Webmasterin gerät ins Schwitzen.

Die Chatter sind gut zu ihr: „Hallo, Frau Fischer. Vielen Dank für Ihre Chat-Bereitschaft“! Arzt Thomas will wissen, was die Gesundheitsministerin davon hält, dass preiswerte Asthmasprays das Treibgas FCKW enthalten. „Müssen wir die Ozonschicht mit dem Rezeptblock weiter schädigen?“ Hm, das hatte sie nicht bedacht. „Aber ich denke, dass die Anzahl von Asthmasprays nicht ausreicht, die Umwelt krass zu schädigen.“

Als Kassenpatientin wird Nana oft wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt. „Auch wohlgesonnene Ärzte signalisieren mir, dass sie mich eher aus Menschenliebe behandeln, weil sie ohnehin etwa 50 Prozent ihrer Arbeit umsonst täten. Wohin soll das noch führen?“ Hätte ihr einer von der CDU diese Frage gestellt, wäre sie in die Luft gegangen. Doch beim Chat bleibt sie schlicht: „Ich bin selber immer wieder irritiert über diese Entwicklung. Wir haben kein Geld gespart, sondern nur ein Wachstum gebremst“. So soll es auch in Zukunft bleiben.

Nur eine Frage droht sie leicht zu überfordern: Warum knackt sie nicht die alten Hierachien im Gesundheitswesen? Das Gesetz „ist nicht alles, was ich in der Gesundheitspolitik machen will !!!!“. Chatter Volker wird die vier ministeriellen Ausrufezeichen verstehen.

Andrea Fischers Entspannungsabend geht zu Ende: 75 Minuten, 350 Chatter, mit 100 geredet: „Last answer/ denn erstens ist das sehr anstrengend, und zweitens muss ich mich noch um verrückte Rinder kümmern.“ Andrea Fischer hat genug. Den fragenden Journalisten hinterlässt sie eine Synopse des Gesetzes, ein Büffet und einen Staatssekretär.

roga