Ökosteuer: Dicke Luft in der Koalition

■  SPD-Fraktion stellt Einigung über die nächste Stufe der Ökosteuer in Frage. Streitpunkt Steuerbefreiung für Gaskraftwerke: Kohlelobby sieht sich benachteiligt. Koalitions-Krisensitzung ohne Ergebnis vertagt

Berlin (taz) – Sozialdemokraten und Grüne liegen sich schon wieder in den Haaren. Diesmal geht es um die Ökosteuerreform. Die SPD-Bundestagsfraktion stellte den erst am Freitag ausgehandelten Kompromiss zur Ökosteuer plötzlich wieder in Frage. Sie stimmte in einer Sondersitzung gegen den Plan, hochwirksame Gaskraftwerke von der Mineralölsteuer zu befreien. Ohne Erfolg versuchten die Fraktionsvorsitzenden von SPD und Grünen, Peter Struck und Rezzo Schlauch, gestern auf die Schnelle einen neuen Kompromiss zu finden. Heute sollen der SPD-Finanzpolitiker Reinhard Schultz aus Nordrhein-Westfalen und der Grünen-Umweltpolitiker Reinhard Loske eine Einigung erzielen. Spätestens am Freitagmorgen muss die Ökosteuer in einer Sondersitzung vom Finanzausschuss gebilligt werden, sonst kann sie nicht wie geplant zum 1. Januar in Kraft treten.

Die SPD-Fraktion einigte sich in ihrer Sondersitzung darauf, dass Gaskraftwerke erst ab einem Wirkungsgrad von 58 Prozent steuerlich zu entlasten seien. Bisher lautete der Kompromiss: ab 57 Prozent. Ein höherer Wirkungsgrad führt dazu, dass weniger Gaskraftwerke in den Genuss der Steuervergünstigung kommen. Damit gab die SPD-Fraktion den Bedenken der Abgeordneten aus den Braun- und Steinkohlerevieren nach. Sie befürchten eine Bevorzugung der Gaskraftwerke zu Lasten der Kohle. Die Grünen wollen dagegen möglichst viele effiziente Gaskraftwerke fördern, weil dies der umweltfreundlichere Weg der Energiegewinnung sei. Ein Wirkungsgrad von 58 Prozent, so ein grüner Umweltexperte, werde von kaum einem Gaskraftwerk erzielt. Deshalb sind die Grünen zunächst nicht bereit, auf den SPD-Vorschlag einzugehen. Ob sie wegen dieser Frage tatsächlich die Ökosteuerreform platzen lassen, wird sich heute herausstellen.

Hilfe bekommen die Besitzstandswahrer aus den Braunkohlerevieren vom SPD-Umweltpolitiker und Träger des alternativen Nobelpreises Hermann Scheer. Er lehnt Steuererleichterungen für Gaskraftwerke ab. Stattdessen sollten dezentrale Blockheizkraftwerke mehr gefördert werden. Gas sei weniger umweltfreundlich, als immer behauptet werde.

Am Freitag soll im Finanzausschuss ein weiterer Streit zwischen SPD und Grünen ausgeräumt werden. Dabei geht es um die teilweise Freistellung der künftigen Steuer auf Lebensversicherungen. Während sich Grüne und SPD in Berlin heftig stritten, schickte der Kanzler über Die Zeit ein Grußwort von seiner Asienreise. Er rief zu mehr Geschlossenheit auf: „Die Vielstimmigkeit in der Koalition schadet uns sehr.“ Vom jüngsten Streit konnte er da noch nichts wissen.

Tina Stadlmayer