■ Safwan Eid wird wegen erwiesener Unschuld freigesprochen
: Viele Fragen offen

Zehn Menschen sind am 18. Januar 1996 in einer Lübecker Flüchtlingsunterkunft verbrannt, erstickt, in den Tod gesprungen; 38 weitere wurden in den Flammen verletzt. Und: Safwan Eid ist seit gestern ein frei(gesprochen)er Mann.

Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Im Grunde nichts. Denn das Kieler Landgericht hat gestern festgestellt: Es besteht kein Zusammenhang zwischen dem verheerenden Lübecker Brand und dem Angeklagten Safwan Eid. Der ehemalige Hausbewohner Eid wurde erwartungsgemäß auch im zweiten Prozess von jeder Schuld an dem Tod seiner zehn Nachbarn freigesprochen. Selbst die Staatsanwaltschaft hatte bereits erklärt, dass ihr die Zeugenaussagen und Gutachten nicht für eine Verurteilung reichen würden. Und die heimlich mitgeschnittenen Gespräche hatten Safwan Eid ohnehin mehr ent- denn belastet.

Der Streit, ob das neuerliche Verfahren nötig war, wird vermutlich weitergehen. Mag sein, dass man dem Angeklagten viel Leid und dem Staat Kosten hätte sparen können, wären die Protokolle von Anfang an mit der nötigen Sorgfalt übersetzt worden. Safwan Eid immerhin hat den bitteren Trost, den Gerichtssaal diesmal mit einem Freispruch „erster Klasse“ zu verlassen: nicht aus Mangel an Beweisen, sondern wegen erwiesener Unschuld.

Dennoch ist der Ausgang des Verfahrens alles andere als befriedigend: Die Fragen nach Schuld, Ursache und Motiv für den Brand bleiben auch vier Jahre danach offen. Für die Opfer und ihre Angehörigen ist das schmerzlich; für die Ermittlungsbehörden ein schlechtes Zeugnis. Statt Sühne und Gerechtigkeit gibt es nur die Gewissheit: Die Täter sind noch immer unter uns.

Denn mit neuen Ermittlungen, geschweige denn einem neuen Verfahren ist kaum zu rechnen: Die Spuren sind verwischt. Den Schlampereien der Ermittler im ersten Verfahren ist es zu verdanken, dass stapelweise Aktenmaterial verschwunden ist und Verdächtige einfach laufen gelassen wurden. Viele der Überlebenden haben es zudem satt, dass immer wieder in ihren Erinnerungen herumgestochert wird.

Bleibt die Frage: Wer hatte Interesse daran, dass der Tod von zehn Menschen mit der Intensität eines Bagatelldelikts verfolgt wurde? Doch um das herauszufinden, bräuchte es Ermittler, die wissbegierig und nicht gleichgültig sind. Immerhin hätten sie noch etwas Zeit: Schwere Brandstiftung mit Todesfolge verjährt erst nach 30 Jahren. Heike Haarhoff