Schütteln und Backen

■ Henning Harnisch

Solange Heino Heino heißt und James Brown James Brown, und solange der Ostdeutsche seinen Dunking Korbpresser nennt, so lange werde ich zum Flügel Forward sagen, basta, so wahr, wie ich selber Forward war.

Der Forward ist der Bastard des Basketballs. Zu klein, um ein Center zu sein, zu groß für den Aufbaujob, ist der Forward der natürliche Mittler zwischen zwei wesensfremden Welten. Von allem hat er ein wenig: Dribbeln kann er, werfen sollte er können, springen und passen

 Kleine Schule der verschiedenen Basketball-Positionen. Heute: Der Forward

sowieso. Eine idealtypische Kategorisierung, natürlich, leider stimmt sie auch idealtypisch nur zur Hälfte, denn der Forward-Bastard hat sich im Laufe der Zeit in ein Bastard-Paar aufgeteilt: den Power-Forward und den Small-Forward. Was zeichnet die beiden aus?

Der Power-Forward sagt bäng (James Brown sagt bäng) und meint das auch so. Dieser Blaumann unter den Basketballern wirft den Ball wie eine Hantel, dribbelt, bang, bang, mit dem Rücken zum Korb im gleichen Rhythmus, wie er, bang, bang, gegen den muskelbepackten Körper seines Gegenspielers, genau, bangt, und bangt sich so zentimeterweise rückwärts zum Korb vor. Gerne würde man Franz Beckenbauer, diesen Mann, der Basketball als zu weich empfindet, zwischen zwei dieser Banger stellen. Bang, bang. Gegenseitiges Geschiebe und Geschubse, das ist das inhaltliche Ziel des Power-Forwards – zumindest auf dem Spielfeld (eigentlich hält ihn Basketball aber nur von seiner wahren Leidenschaft, dem Krafttraining, ab).

Der Small-Forward schüttelt über diesen Ästhetik-Verbrecher nur den Kopf, sein Anliegen ist ein anderes: „Vorwärts!“ ruft er, „vorwärts, lasst uns Fast-Break laufen.“ So ist er, der Small-Forward, Krafttraining macht er, weil er muss, sein Glück entscheidet sich woanders, ungefähr auf Höhe der Freiwurflinie, dann, wenn sein leicht kurviger Sprint auf der imaginären Außenbahn des Spielfeldes von Korb zu Korb durch einen Pass vom Aufbauspieler, diesem mächtigen Menschen, belohnt werden möchte. Dieser Augenblick im Fast-Break (Heino sagt Schnellangriff) entscheidet über Glück oder Frust im Leben eines Small-Forward: Frust, wenn der Aufbauspieler sich doch wieder als egoistisches Arschloch entpuppt hat und selber zum Korb zieht, Glück, wenn der kluge Mann den Ball wie ein Oberkellner serviert und der Small-Forward den Korb kreativ füttern kann. Soll ich vorwärts oder rückwärts dunken? Für diesen Augenblick und für diese Frage, dafür lebt der Small-Forward.

Unter anderem. Denn: Das Leben ist nicht nur Fast-Break und Dunking. Spätestens wenn der Aufbauspieler den Ball lässig und gemächlich nach vorne dribbelt und mit der Hand ein Zeichen macht, dann ist auch Dr. J und Scottie Pippen klar: Die Pflicht ruft, ein System steht an. Im System hilft der Small-Forward, die Bälle zu verteilen, diplomatisch vermittelt er zwischen Center und Aufbauspielern; beim Dribbeln greift er den Aufbaus unter die Arme; wenn es sein muss, wirft er auch Dreier; aus Fastbreak-Erfahrung weiß er die gierigen Blicken der Center zu deuten, und anstatt, wie es seinem Naturell entspricht, über zwei Leute zu dunken, gibt er, mit aristokratischer Noblesse, den Ball an die verzweifelt ihre langen Arme Richtung Ball streckenden Riesen weiter und schneidet balllos auf die andere Seite des Korbs. Alles typische Verhaltensformen für die feinere Variante des Forward, für unseren Small-Forward. Dem Power-Forward kämen solche noblen Gesten gar nicht in den Sinn, bang, bang (natürlich bangt auch der Small-Forward mittlerweile ein bisschen).

Sammelt man die positiven Eigenschaften des modernen Small-Forward, kann man ihn als alles könnenden Allrounder definieren. Registriert man gleichzeitig, dass immer mehr Aufbauspieler unter dem Korb wie Center spielen, Power-Forwards Dreier wie Shooting-Guards (Heino: ?) werfen und Center den Ball lässig durch die Beine dribbeln, sind wir schon im Lande der Basketball-Visionen. Wenn alle sich dem Modell des Small-Forwards – bewusst oder unbewusst – annähern, dann werden wir in logischer Konsequenz zukünftig auf dem Spielfeld nur noch einen sehen: den Small-Forward.