■ Die Rente mit 60 ist ein Schritt in die falsche Richtung
: Für einen neuen Generationenvertrag

Lasst die alten Leute arbeiten!, titelte der Economist vor wenigen Wochen. Der jüngste Arbeitszeitverkürzungsversuch der Gewerkschaften – Rente mit 60 – geht in die umgekehrte Richtung.

Auch dieser Vorschlag geht von einer Mengentheorie an Erwerbsarbeit aus: Ein vorgegebenes Arbeitsvolumen wird von den Alten auf die Jungen umverteilt. „Altersgeld gegen Arbeitszeit“, lautet die Tauschformel. Die Jugend müsste den Gewerkschaften dafür eigentlich dankbar sein. Doch sie ist es nicht. Denn es sind die Jüngeren, die die Rente der jungen Alten subventionieren müssen. Die vom Tariffonds übernommenen Abschläge, die die Kosten des längeren Rentenbezugs ausgleichen sollen, verursachen Vorfinanzierungskosten in Höhe von 20 Milliarden Mark. Das Altersgeld zahlen somit die Jungen zum großen Teil selbst. Auch der zweite Tausch, die versprochene Arbeit, ist nur eine vage Hoffnung. Die Frührentnerfreisetzung der 80er- und 90er-Jahre war für die Unternehmen in erster Linie ein willkommener Anlass, die Betriebe auf Kosten von Beitrags- und Steuerzahler zu verjüngen und zu verschlanken.

Dieses „Spiel der Generationen“ funktionierte, solange Geld in den Kassen des Sozialstaates war und sich die Bundesregierung auf diesen Vertrag zulasten Dritter – der Jungen – einließ. Warum ist es ökonomisch rational, Menschen mit 60 oder 65 freizusetzen, anstatt den Wandel für alle Arbeitnehmer – alt und jung – erträglicher zu gestalten?

Das heute maßgebliche gesetzliche Renteneintrittsalter (65) wurde von Bismarck als offizielles „Rentenalter“ festgelegt in der Hoffnung, dass nur wenige dieses Alter erreichen würden. Die Lebenserwartung lag damals bei 48 Jahren. Der Generationenvertrag ist bis heute auf die Versorgung relativ weniger Menschen ausgerichtet. Auf einen Rentner kommen 1999 drei Beitragszahler. Doch 2030 wird das Verhältnis eins zu eins sein. Wenn nichts geschieht, wird so eine ganze Generation „legal“ enteignet.

Da ist es nur noch eine Frage der Zeit und Gelegenheit, dass die junge Generation auf die Solidarität pfeift und ihren Institutionen (Parteien, Gewerkschaften, Sozialversicherungssystemen) den Rücken kehrt. Der Weg in die Freiheit ist für viele nur noch als Flucht aus der Verantwortung zu haben. Die „Kinder der Freiheit“ sind gezwungen, ihr Recht auf Leben mit dem Verzicht auf Verträge zu erkaufen, deren Geschäftsgrundlage längst weggefallen ist.

Die zentrale Frage lautet also: Wie kann eine Lebenspolitik aussehen und politisch gestaltet werden, die den einen (den Jungen) nicht die Zukunft raubt, und die die anderen (die jungen Alten vor der Rente) nicht vernachlässigt? Gibt es ein Leben und Altern jenseits von Konsum und Krankheit? Ist eine Gesellschaft jenseits von Beiträgen, Ansprüchen und Rechten vorstellbar?

Ein möglicher Weg aus der „Generationenfalle“: eine Verflüssigung, eine Flexibilisierung der Lebensphasen und Übergänge nicht nur zu Beginn, sondern ebenso am Ende des Erwerbslebens. Auch alte Menschen sind flexibel, wenn man sie denn lässt und dazu anstiftet. Die zweite Phase im Leben, die Erwerbsphase, müsste nicht abrupt enden, sondern könnte nahtlos und langsam in eine dritte übergehen. Eine Teilrente und -arbeitszeit könnte den finanziellen Druck auf die Sozialsysteme mindern und so die Freisetzung der jungen Alten unattraktiver machen.

In Zukunft werden die Menschen weniger Arbeit, aber mehr Zeit haben. Geld ist nicht die einzige Währung, die „zählt“. Rente ist nicht alles, was vom Leben bleibt. Auch für die aktiven Alten gilt: Ihre Lebensstile sind vielfältig, ihre Bedürfnisse unterschiedlich, ihre Fähigkeiten komplex. Was spricht dagegen, dass ein Altersteilzeit arbeitender junger Alter in seiner Freizeit ältere Alte betreut und sich so einen Teil seiner Rente hinzuverdient? Der einzelne Mensch hätte mehr vom Leben, die Gesellschaft wäre nicht nur finanziell entlastet, sondern auch insgesamt reicher. Arm ist eine Gesellschaft vor allem dann, wenn sie ihre Bürger nicht mehr braucht, weil sie nichts mehr von ihnen erwartet.

Bismarck würde heute übrigens das Rentenalter auf 88 erhöhen. Daniel Dettling

Leiter des Arbeitskreises „Zukunft der Arbeitsgesellschaft“ der

Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen