Ausziehen, röntgen, tschüss?

■ Für die Dauer des geplanten Modellversuchs zur Brustkrebs-Früherkennung fordert das Frauengesundheitszentrum eine unabhängige Beratung für untersuchte Frauen

Wie das bundesweit einmalige Bremer Modellprojekt zur Brustkrebs-Früherkennung in Einzelheiten umgesetzt wird, wird hinter den Kulissen noch debattiert. Fest steht jedoch: Rund 70.000 Bremerinnen zwischen 50 und 69 Jahren sollen sich im Rahmen des „Screening“-Projektes jedes Jahr auf Brustkrebs röntgen (mammografieren) lassen. Damit die Frauen aber hinter den wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und medizinischen Interessen des Modellversuchs nicht zu kurz kommen, fordert das Bremer Frauengesundheitszentrum (FGZ) eine psychosoziale Begleitung des Screenings durch eine neutrale Einrichtung, die Frauen über aktuelle medizinische Möglichkeiten informiert – und auch Rückmeldungen der Frauen, die beim Screening mitmachen, in den Modellversuch einbringt. Nach Nutzen und Risiken des Screenings fragte die taz Elke Anna Eberhard vom FGZ.

taz: Manche Medien sprechen beim Brustkrebs von einer Art Frauenseuche und folgern, dass Früherkennung überfällig sei. Im kommenden Jahr wird Bremen ein bundesweit einmaliges Programm zur Brustkrebs-Früherkennung starten. Ist das ein Grund zur Freude?

Elke Anna Eberhard: Es ist gut, dass endlich etwas getan wird. Aber es ist auch ein Anlass zur intensiven Auseinandersetzung über die Frage, was ein Brustkrebs-Screening den Bremerinnen bringen wird.

Wieso? Es heißt doch, dass Brustkrebs zunimmt.

Bei der Zunahme von Brustkrebs ist entscheidend, von welcher Altersgruppe man spricht. Die Zunahme betrifft überwiegend Frauen unter 50 Jahren – für die ist das Screening-Projekt aber nicht ausgelegt. Wenn durch das Projekt aber eine extrem gute Qualität im Diagnose-Bereich entsteht, wird der Druck wachsen, Diagnose und Früherkennung insgesamt zu verbessern.

Fachleute fürchten, dass es viele – für Frauen belastende – falsche Verdachtsdiagnosen geben könnte. Wie sehen Sie das?

Zur Zeit werden Frauen pathologisiert, um eine Mammografie zu erhalten. Die Überweisung der Frauen erfolgt zumeist willkürlich, dabei gibt es schon jetzt viele Fehldiagnosen. Noch hängt die Qualität einer Mammografie sehr davon ab, wer diese Untersuchung durchführt. Vielfach sind die Standards niedrig. Da erfährt die eine Frau möglicherweise nicht, dass sie Krebs hat – während einer anderen gegenüber ein Tumorverdacht geäußert wird, der sich nicht bestätigt. Im Laufe des Screenings wird es sicher weniger Fehldiagnosen geben. Allerdings können auch Krebsarten diagnostiziert werden, die wahrscheinlich nie zu einer Erkrankung führen. Frauen können durch das Screening auch früher als bisher einen Krebs diagnostiziert bekommen, der zurzeit nicht therapierbar ist.

Manche Bremer Radiologen beklagen, dass beim geplanten Screening eine Art anonyme Massenabfertigung – à la ausziehen, röntgen, tschüß – stattfinden wird, die von ganzheitlicher Behandlung weit entfernt sei.

Im Rahmen des Screenings ist tatsächlich nichts vorgesehen außer der Röntgenaufnahme. Wir fürchten, dass Frauen sich möglicherweise in der falschen Sicherheit wiegen könnten, dass durch die Mammografie die gesamte Frühdiagnostik abgegolten wäre. Das ist aber nicht so. Beispielsweise müßte eigentlich auch eine Ultraschall- und eine Tast-Untersuchung dazugehören. Mammografie kann nämlich nicht alle Krebse im Frühstadium erkennen. Um hier besser aufzuklären, setzen wir uns für unabhängiges Informations- und Beratungszentrum ein.

Raten Sie Frauen, am Screening teilzunehmen?

Es ist nicht unsere Aufgabe, Empfehlungen auszusprechen. Aber wir besprechen mit Ratsuchenden die Situation und informieren, damit die Frau klären kann, in wieweit die Teilnahme oder Nichtteilnahme ein Risiko darstellt und wie sie sich verhalten will.

Manche warnen, das Pferd würde mit dem Screening von hinten aufgezäumt – weil noch niemand weiss, was die Ursachen für die Entstehung von Brustkrebs sind, aber Frauenbrüste schon massenweise durchgeröntgt würden.

Ursachenforschung für Brustkrebs war bisher nicht möglich, weil es kein Krebsregister in Deutschland gibt – ein Verzeichnis aller Krebsfälle also, dem man entnehmen kann, welche Krebsart wann aufgetreten ist und wie diese Frauen gelebt haben. Mit dem Screening wird ein solches Krebsregister hier in Bremen aufgebaut. Das ist positiv.

Fürchten Sie nicht, dass Mängel an der aktuellen Krebstherapie hinter die Debatte um das Screening zurücktreten?

Ich hoffe eher, dass vermehrt Aufmerksamkeit für den gesamten Themenbereich geweckt wird. Je mehr Frauen sich mit dem Thema beschäftigen, desto mehr werden hoffentlich ihre Bedürfnisse anmelden.

Manche Fachleute wünschen sich heute schon ein flächendeckendes Brustkrebs-Screening für Deutschland. Sie auch?

An einem Screening haben wir kein Interesse – wir haben nur an den hoffentlich positiven Auswirkungen des Screenings Interesse.

Was sollte am Ende des dreijährigen Modellversuchs stehen?

Eine intensivere Debatte über Therapiemethoden, eine intensivere Diskussion darüber, wie Krebsregister in der ganzen Republik aufgebaut werden können – und die Einbeziehung der unterschiedlichen Bedürfnisse von Frauen in die medizinische Versorgung.

Fragen: Eva Rhode

Heute informiert die Bremer Gynäkologin Dr. Edith Bauer ab 18 Uhr über „Methoden und Chancen der Brustkrebs-Früherkennung“ im FGZ in der Elsflether Str. 29 (Eintritt 12/ E: 10 Mark).