Landesregierung deckt illegale Gentech-Freisetzung

■ Seit Monaten ist bekannt, dass auf Baden-Württembergischen Feldern nicht zugelassene Maispflanzen stehen. Doch die Landesregierung weigert sich, dagegen vorzugehen

Berlin (taz) – Auf baden-württembergischen Äckern wächst nicht zugelassener Gentech-Mais, und die Behörden schauen untätig zu. Dies sei seit Monaten bekannt, doch bis heute habe die Landesregierung, die für die Einhaltung des Gentechnikgesetzes zuständig ist, darauf in keiner angemessenen Weise reagiert, kritisierte gestern der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschlands (BUND). Sie handele einfach nach dem Prinzip „Augen zu und durch“. Für die betroffenen Bauern könnte das Folgen haben, denn in diesen Tagen beginnt in Süddeutschland die Maisernte. Mit dem Verkauf der verunreinigten Ernte könnten sich auch die Landwirte strafbar machen, warnt Brigitte Dahlbender, vom BUND-Landesverband Baden-Württemberg.

Bereits Anfang Mai hatte der Naturschutzverband den Skandal ins Rollen gebracht. Mitarbeiter in Freiburg hatten von französischen Kollegen erfahren, dass der Saatgutmulti Pioneer Hi-Bred im Nachbarland konventionelles Maissaatgut der Sorte „Benicia“ verkauft hatte, die mit gentechnisch veränderten Maiskörnern verunreinigt waren. Der Verdacht, dass auch hierzulande Benicia mit illegalen Gentech-Mais versetzt ist, konnte von der chemischen Landesuntersuchungsanstalt in Freiburg bestätigt werden. Seitdem ermittelt auch die Staatsanwaltschaft wegen Verstoß gegen das Gentechnikgesetz.

Gleich zwei verschiedene Maissorten, die dort nicht rein gehören, wurden in geringen Spuren nachgewiesen. Zum einen handelte es sich um eine Maissorte, BT 11 genannt, des Schweizer Biotechkonzerns Norvartis. Diese mit einem Selbstschutz gegen Raupenfraß aufgerüstete Sorte ist in der EU zwar zur Weiterverarbeitung zugelassen, der kommerzielle Anbau jedoch ist verboten.

Bei der anderen Sorte handelt es um Mais des US-Konzerns Monsanto. Unklar ist noch, ob es die Sorte MON 809 oder 810 ist, ein kleiner, aber wichtiger Unterschied. Denn im Gegensatz zu MON 810 ist die Maislinie 809 weder zurWeiterverarbeitung noch zum Anbau zugelassen. Solange nicht geklärt sei, um welche Maissorte es sich handele, könne die Landesregierung keine Rückholorder geben, teilte die baden-württembergische Landwirtschaftsministerin Gerdi Staiblin dem Bund mit. Ganz anders reagierten die Franzosen. Dort wurde sofort ein Verbot ausgesprochen. Und in der Schweiz wurde die Vernichtung des bereits ausgesäaten Mais angeordnet.

„Der Anbau des verunreinigten Benicia-Mais ist auch bei uns ein eindeutiger Gesetzesverstoß“, erklärt der Genexperte des Bund, Dan Leskien. Die Kontamination mit BT 11 reiche schon aus, um den Verkauf der Benicia-Sorte als illegale Freisetzung zu ahnden. „Das deutsche Gentechnikgesetz“, so Leskien, „sieht dafür eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe von bis zu 100.000 Mark vor.“

Als „skandalös“ bezeichnet Leskien auch das Unvermögen der Behörden, bisher nicht klären zu können, ob die zweite Kontamination von der Maislinie 809 oder 810 herrühre: „Sie hatten immerhin vier Monate Zeit sich von Monsanto entsprechendes Referenzmaterial zu beschaffen.“ Aber offenbar will die Landwirtschaftsministerin den Skandal einfach nur aussitzen. Wolfgang Löhr