„Vergewaltiger, wir kriegen Euch“

■ Der genetische Fingerabdruck ist „keine Wunderwaffe“, aber langsam wird er zum Routineinstrument / Wie oft Bremer Richter den Speicheltest im vergangenen Jahr angeordnet haben, weiß niemand

Der genetische Fingerabruck ist kein Wundermittel“, sagen Bremens Ermittler. „Aber fast schon ein Routineinstrument.“ Wie oft der Gentest im vergangenen Jahr angewendet wurde, weiß bei Polizei und Staatsanwaltschaft zwar niemand. „Darüber führen wir keine Statistik.“ Sicher aber ist: Immer häufiger liefern Genanalysen den letzten Beweis in einer langen Kette von Ermittlungen, bei denen die Fahnder das Netz zunehmend enger um mögliche Täter ziehen. Der Frauengraffiti, „Vergewaltiger, wir kriegen Euch“, trifft damit immer häufiger zu – vorausgesetzt, der Täter hat genetische Spuren hinterlassen. So geschehen kürzlich im Fall eines Mannes aus Kattenturm.

Der 28jährige Familienvater, der derzeit in Untersuchungshaft einsitzt, gilt als „Urheber“ der Spermaspuren, die bei seinem 19jährigen Opfer sichergestellt wurden. Den Mann erwartet jetzt der Prozeß; sein Anwalt hat ein Geständnis angekündigt. Daß der Mann der Unbekannte war, der die junge Kattenturmerin in den frühen Morgenstunden des Valentinstages brutal überfiel, hatte ohnehin kaum jemand bezweifelt. In der Bremer Staatsanwaltschaft heißt es jedenfalls: „Uns ist kein Fall mit derartiger Beweislage bekannt, in der das Material angezweifelt wurde.“

Wie rund 45 weitere Männer war der Tatverdächtige zuvor den Aufforderungen der Polizei gefolgt, Körperzellen für eine gentechnische Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Die Sicht der Ermittler: Er lebte tatortnah, sah dem Fahndungsbild ähnlich – und auch sonst sprach einiges für seine Tatbeteiligung. „Wir hatten gute Ermitt-lungsbedingungen“, blicken die Fahnder des Kommissariats 32, „Sitte“, zurück.

Der polizeilichen Aufforderung zum Spuckeliefern – staatsanwaltlich beantragt und richterlich abgesegnet – war der Verdächtige ebenso wie alle anderen Vorgeladenen ohne jeden Widerstand gefolgt. „Wer das nicht tut, kriegt eine richterliche Verfügung“, sagen die Fahnder selbstsicher. Aber das sei wohl nicht alles, nicken sie. „Vielleicht hoffen diese Leute, doch, irgendwie davon zu kommen“, zucken die Kriminalbeamten mit der Schulter. Auch bei der großflächig angelegten Gen-Untersuchung nach dem Mord der elfjährigen Schülerin Christina Nytsch aus dem niedersächsischen Strücklingen war der Täter schließlich nach einer freiwilligen Spermaprobe aufgeflogen, während Tausende andere zum – gesetzlich nicht vorgeschriebenen – Speichel-Großtest nie angetreten sind.

Wie der genetische Fingerabdruck des Mörders der kleinen Christina, Ronny Rieken, werden jetzt auch die Gendaten des mutmaßlichen Vergewaltigers aus Kattenturm in der bundesweiten Gen-Datei des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden gespeichert. Davon jedenfalls gehen Staatsanwaltschaft und Polizei aus. „Es reicht der Tatverdacht.“

Bisher hat die Bremer Polizei das genetische Material im eigenen Polizeilabor auswerten lassen. „Vor zehn Jahren haben wir solche Proben noch nach England geschickt“, sagt Chefermittler Werner Meyer. Seit rund vier Jahren analysiert eine hauseigene Biologin die Spuren selbst. „Dabei gehen die dringenden Fälle vor“, sagen die Kripo-Männer. Auch ein privates Labor werde gelegentlich in Anspruch genommen. Der Kostenpunkt pro Analyse liegt derzeit noch bei 250 bis 300 Mark.

Auch deshalb freuen die Ermittler sich über ein neues Analysegerät, „das demnächst eintreffen soll.“ Bislang arbeitet nur eines – „in der Probephase.“ Mit dem zweiten rund 120.000 Mark teuren Gerät könnten, so erwartet die Sprecherin der Bremer Innenbehörde, Erika Pape-Post, die eingelagerten Proben endlich „abgearbeitet“ werden. Aus ihrer Sicht „arbeitet Bremen wie alle anderen Bundesländer“. Aus der Sicht der Bundeskriminaler stimmt das nicht ganz. Dort ist Bremen Schlußlicht. Das Bundesland hat bislang keine Gendaten an die BKA-Verbunddatei der Länder in Wiesbaden geliefert; als einziges aller Bundesländer. Eva Rhode