Kommentar
: Die Richtigen schlagen

■ Dioxinskandal: Aktionismus ersetzt Ursachenbekämpfung

Nach den Eiern und Hühnern sollen nun auch die Schweine und Rinder aus Belgien in Quarantäne. Damit ist vom Dioxin-Alarm ein großer Teil der Tierhaltung eines EU-Landes betroffen. In allen EU-Ländern werden auf der Suche nach Dioxin Hühnerprodukte beschlagnahmt. Vielleicht bald auch die von Schweinen und Rindern.

Wird hier eine Gefahr für Leib und Leben abgewandt? Es ist keineswegs so klar, wie es scheint. Natürlich ist es ein Skandal, daß belgische Futtermittelhersteller giftige Zusatzstoffe unter die Leute bringen. Aber muß man gleich auf Verdacht einen großen Teil der Produktion beschlagnahmen? Das kostet viel Geld und wird Bauern, vielleicht auch Schlachthöfe und Händler in den Ruin treiben. Bei solch harschen Maßnahmen muß bis an die Wurzel des Übels gegraben werden, sonst ist all die Aufregung vergebens und schon in ein paar Monaten oder Jahren werden wir den nächsten Dioxinskandal haben.

Es drängt sich der Verdacht auf, das die eigentlichen Ursachen der Dioxinmisere wieder einmal durch aufgeregten Aktionismus verschleiert werden sollen. Das fängt schon damit an, daß unklar ist, woher das Gift nun eigentlich kommt: Aus den Fritteusen der belgischen Pommes-Frittes-Liebhaber, wie das belgische Landwirtschaftsministerium ins Spiel brachte, von Motorölresten oder doch vielleicht aus den Filtern von Müllverbrennungsanlagen und Stahlöfen?

Für die dritte Herkunftsart spricht die Zusammensetzung der Dioxine, die in den Lebensmitteln gefunden wurden. Und damit hat den schwarzen Peter eigentlich die Industrie, vor allem die Chemiebranche. Die hält am profitablen Zweig der Chlorchemie fest. Und ohne Chlor in Allerweltsverbindungen wie PVC hätten wir kein Dioxinproblem. Denn dieser Krebserreger entsteht nun einmal hauptsächlich bei der Verbrennung von Chlorverbindungen. Deshalb müßten die Gesundheitsminister der EU eigentlich auch die Chlorchemie verbieten und nicht nur Dioxine im Tierfutter. Doch mit der Chemiebranche wollen es die Politiker nicht aufnehmen. Also zahlen sie lieber für die Entsorgung der Hühner und die Verbraucher können schon auf den nächsten Skandal warten – der dann bestimmt wieder entschlossen angegangen wird. Reiner Metzger

Bericht Seite 8