Zum Jubiläum schenkt der König Fernsehen

Als eins der letzten Länder der Welt führt das Himalaja-Königreich Bhutan am Mittwoch das Fernsehen ein. Mit Filmen über „alte und neue künstlerische Trends in Bhutan“ gegen BBC und CNN    ■ Aus Delhi Bernard Imhasly

Am 2. Juni beginnt in Bhutan das Fernsehzeitalter. Rechtzeitig zum silbernen Dienstjubiläum von König Wangchuk startet das nationale Fernsehen in dem buddhistischen Königreich im östlichen Himalaja. Als erstes steht natürlich die Ausstrahlung der Festlichkeiten auf dem Programm.

„Es beginnt ein neues Zeitalter, wir sind bereit für das kommende Jahrtausend“, freut sich der Student Dorij Tsehring aus Sherubtse. Immer wenn er nach Indien hinübergehe, freue er sich auf 60 bis 70 Fernsehkanäle, sagt Tsehrings Kommilitone Karma Phuntsho: „Man kann zwar nicht sagen, daß das alles Sinn hat, aber das meiste war schon recht aufregend.“

Am Mittwoch wird damit einer der letzten weißen Flecken auf der TV-Weltkarte verschwinden. Jahrzehntelang hatte sich Bhutan bewußt ausgeschaltet – nicht nur von CNN und BBC, sondern auch von Touristenhorden, von zuviel Entwicklungshilfe und der lärmigen Demokratie, wie sie unten in der indischen Ganges-Ebene praktiziert wird. Doch wie die Demokratie, die 1990 bei einem Aufstand der nepalischen Minderheit ihr Haupt erhob, lassen sich auch TV-Signale nur schwer abhalten.

Die Gewöhnung an das Fremde soll aber, wie bei der dosiert verabreichten Demokratie, behutsam erfolgen. Das Programm des „Bhutan Broadcasting Service“ (BBS) umfaßt zwei Stunden und ist zunächst auf die 30.000 Einwohner der Hauptstadt Thimphu beschränkt. Auch sonst schraubt man die Erwartungen nicht hoch: „Wir werden versuchen, nicht alle Leute zu enttäuschen“, sagte BBS-Chef Sonam Tshong bescheiden gegenüber Kuensel, der einzigen Zeitung des Landes.

Gleichzeitig mit dem Zugang zum Medium des ausgehenden Jahrhunderts bekommen die Bhutaner erstmals auch Zugang zum Medium des Kommenden: Der erste Internetprovider „Druknet“ startet, von Bhutans Telekommunikationsbehörde verwaltet und vom UN-Entwicklungsprogramm UNDP mit finanziert.

Ohnehin ist die Vorstellung eines Shangri La ohne Zugang zur Weltkommunikation eine romantische Fiktion. Seit Jahren ragen in Thimphu TV-Antennen in den Himmel, so daß sich viele Huptstädter zumindest von den indischen Hindi-Musikschnulzen verderben lassen können. Und die Elite hat sich längst Satellitenschüsseln besorgt. Die lassen sich auch besser verstecken als das alte Antennengestänge, das die meisten TV-Besitzer von Gebrauchtwarenmärkten in Indien mitgebracht haben. Denn Satellitenantennen waren bisher durch ein königliches Edikt streng untersagt.

Gegen die Miniaturisierung der Technik hatte dieses einen schweren Stand, und auch die ständigen Klagen in der Nationalversammlung über die Invasion unbuddhistischer Werte zeigten wenig Wirkung. Zudem hatte die Jeunesse dorée in Thimphu, darunter Angehörige der verzweigten Verwandtschaft des Königs, Ausweichrouten, z. B. einen blühenden Tauschhandel mit Brutalo-Videos. Das alles mag den Monarchen bewogen haben, endlich nachzugeben.

Ob die bisherigen TV-Konsumenten aber auf BBS umschalten, ist selbst für Direktor Tshong fraglich. Denn die meisten Programme werden auf Dzongkha ausgestrahlt. Das Fernsehen soll der Nationalsprache endlich das Sozialprestige verleihen, das ihr bisher gefehlt hat und sie, so ein Bhutaner, „zur Sprache der Analphabeten“ machte. „Das bhutanische Radio sendet auch auf nepalisch. Daß dies für das Fernsehen nicht geplant ist, ist durchaus problematisch“, beschwert sich der im indischen Kalkutta lebende Gautam Basu, ein Aktivist der nepalischen Bevölkerungsgruppe. Radio ist in Bhutan das am meisten genutzte Medium, speziell ausländische Programme werden gehört. TV-Chef Tshong verspricht, der BBS werde später auch ausländische Programme übernehmen: „Wir suchen noch nach Formaten mit dem erforderlichen Bildungs- und Informationsniveau. Logisch: Wer mit Filmen über „alte und neue künstlerische Trends in Bhutan“ – ein Programmschwerpunkt – gegen Breaking News und MTV-Clips antreten will, muß selbst in Shangri La die Sprache von BBC und nicht die von BBS reden. (Zusatzinformationen: IPS)

Die Jugend betreibt längst einen blühenden Videohandel. Auch das mag den König zum Nachgeben bewogen haben