Auf Sprachförderung fixiert

■  Schulsenatorin will Fördermittel neu verteilen. Weniger Gelder für Schulsozialarbeit und kleine Klassen, mehr Sprachunterricht. Kreuzberg befürchtet Wegfall von 30 Stellen

LehrerInnen und Eltern aus sozial schwachen Gebieten befürchten, daß ab dem nächsten Schuljahr die Förderung von Kindern nichtdeutscher Herkunftssprache erheblich sinken wird und deshalb noch weniger deutsche Eltern ihre Kinder an den jeweiligen Schulen anmelden werden.

Der Grund: Die Schulverwaltung wird ab Herbst die Mittel für Sprachförderunterricht nach neuen Kriterien verteilen. Bisher bekamen Schulen, die einen Anteil von über 25 Prozent SchülerInnen nichtdeutscher Herkunftssprache hatten, zusätzliche Förderstunden. Für jeweils fünf Kinder gab es eine Lehrerstunde extra in der Woche. Außerdem wurden Stunden für Deutschkurse und Sozialarbeit für Schulen in sozial besonders schwachen Gebieten bereitgestellt. Dieser gesamte Förderkomplex hat in diesem Schuljahr 853 Lehrerstellen ausgemacht, für Kreuzberg sind es 65.

Im nächsten Schuljahr gibt es zwar 50 zusätzliche Stellen, doch nach dem Willen von Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) sollen die Förderstunden „zweckgebundener“ verteilt werden. Einziges Kriterium ist dann die Sprachfähigkeit, nicht mehr der Anteil der Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache. Nur noch 141 Lehrerstellen sollen explizit für Sozialarbeit zur Verfügung gestellt werden. „Die deutsche Sprache ist der Schlüssel zur Integration“, begründet Stahmers Sprecherin Almuth Draeger die Neutrukturierung. Das bedeutet, daß künftig alle Schulen, egal wie viele Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache dort lernen, Mittel für Sprachkurse beantragen können. „Es ist gut, daß die Schulverwaltung erkannt hat, daß auch in anderen Bezirken als in Kreuzberg oder Neukölln verstärkt Kinder gefördert werden müssen“, sagt Rolf Hänisch, Vorsitzender des Elternausschusses in Kreuzberg. „Doch dafür müssen insgesamt mehr Mittel bereitgestellt und nicht die Gelder umverteilt werden.“ Weiterhin kritisiert er, daß die Gelder zukünftig fast nur noch für Sprachunterricht verwandt werden sollen. „Dadurch werden die individuellen Förderkonzepte der einzelnen Schulen kaputtgemacht“, befürchtet Hänisch. Er geht davon aus, daß im Kreuzberger Grundschulbereich 30 Stellen wegfallen werden.

Ähnlich sieht es Heidi Kölling, Schulleiterin der Niederlausitz-Grundschule in Kreuzberg: „Durch die neue Regelung wird das Profil unserer Schule bedroht.“ Auf der Schule wird ein Großteil der derzeitigen 40 Lehrerstunden dazu verwendet, kleinere Klassen einzurichten. Die Förderung der deutschen Sprache sei nicht das alleinige intergrative Element, kritisiert die Schulleiterin die zukünftige Fixierung auf Sprachunterricht. Die Kinder würden in den Sprachkursen „segregiert“. Kölling befürchtet, daß wegen der neuen Regelung noch mehr deutsche Eltern in andere Bezirke abwandern: „Bisher konnten wir sie halten, indem wir kleinere Klassen angeboten haben.“ Julia Naumann ‚/B‘Am Montag findet wegen der Neustrukturierung eine Demonstration Kreuzberger LehrerInnen statt. Sie startet um 13 Uhr von der Carl-von-Ossietzky-Gesamtschule in der Blücherstraße und geht zur Schulverwaltung in der Beuthstraße.