Kritik an Jassir Arafat kommt nicht vor

■ Weil palästinensische Medien auf Linie sind, publizieren kritische Schreiber lieber online

Jassir Arafat hat auf den Titelseiten der palästinensischen Tageszeitungen seinen festen Platz. Kaum ein Tag vergeht, an dem sie dem Palästinenser-Präsidenten nicht eine große Geschichte widmen. Die meisten Journalisten im Westjordanland und im Gaza-Streifen sehen die palästinensischen Sache, wie sie die Autonomiebehörde sieht. Mißstände in der palästinensischen Verwaltung in Gaza-Stadt aufzudecken ist derzeit nicht ihre vorrangige Absicht. Sollte doch in einem Bericht die Autonomiebehörde belastet werden, droht dem Autor im schlimmsten Fall die Festnahme.

Doch trotz der strengen Beobachtung durch die Arafat-Verwaltung und nachrichtlichen „Vorgaben“ durch die offiziöse Presseagentur „Wafa“ floriert das Medienwesen in den Autonomiegebieten. Neben drei Tageszeitungen, vielen parteinahen Wochenblättern und dem PLO-dominierten Rundfunk gibt es sechs private Radio- und 28 lokale TV-Stationen.

Als erster palästinensischer Sender ging 1994 nach Beginn der Selbstverwaltung „Voice of Palestine“ auf Sendung. Das von der PLO kontrollierte Radio hat seinen Sitz in Ramallah, von wo aus auch die meisten Privatsender ihre überwiegend lokalen Programme ausstrahlen. In Ramallah erscheint seit 1995 auch Al Ayyam („Die Tage“), die mit modernster Technik und internationalen Partnern den Kampf gegen die alteingesessene Al Kuds („Die Heilige“, arabisch für Jerusalem) aufgenommen hat. Die dritte Tageszeitung ist Al Hayat al Dschadida („Das neue Leben“). Sie steht der PLO noch näher als die beiden Konkurrenten.

Doch die Auflagen der Zeitungen sind erstaunlich niedrig: Es sind rund 70.000 verkaufte Exemplaren aller Zeitungen zusammen pro Tag. Weniger als ein Drittel der Palästinenser lesen einer Umfrage des unabhängigen Ost-Jerusalemer „Medien- und Kommunikationszentrums (JMCC)“ zufolge täglich Zeitung. Das könnte an dem häufig gleichen Inhalt der Blätter liegen, zum anderen an der fehlenden Glaubwürdigkeit. Nur acht Prozent der Befragten glauben, daß die Zeitungen unabhängig berichten.

Deshalb vertrauen viele Menschen mehr den arabischen Nachrichten des israelischen Rundfunks oder schalten ausländische Programme ein, die ein Drittel der Haushalte über Satelliten empfangen kann. Auch die 28 lokalen TV-Programme sind beliebt: Sie senden einfach produzierte Talkshows und Spielfilme.

Dem Anspruch einer freien und investigativen Berichterstattung werden die Medien (noch) nicht gerecht. „Was zählt, sind Einkünfte“, meint der Journalist Khaled Abuaker. Um der Kontrolle der Autonomiebehörde zu entgehen, hat er sich 1997 für ein anderes Medium entschieden. Zusammen mit einigen Kollegen veröffentlicht er im Internet Artikel, für „eine andere Presse und mehr als die eine Farbe“. Täglich werde die Seite www.amin.org bis zu 25.000 Mal aufgerufen.

„Amin“ ist die Abkürzung für „Arabic Media Internet Network„ und heißt auf deutsch „genau“. Berichtet wird über Ereignisse, die in den Zeitungen nicht veröffentlicht werden. Themen sind unter anderem Korruption in der Verwaltung oder Menschenrechtsverletzungen. Zwar haben nur sechs Prozent der in den Autonomiegebieten lebenden Menschen einen Internetanschluß, doch Abuaker vermutet, daß die Berichte von „Anim“ weit mehr Palästinenser erreichen. „Die Autonomiebehörde glaubt, das Internet sei nicht so effektiv, doch unsere Berichte tragen sich auf der Straße weiter.“ Thomas Struk, dpa