Henning Harnisch
: Schütteln und Backen

■ "Jugos sind besser", mußten zur Strafe die arroganten Amerikaner aufsagen

Neulich durfte ich für das Radio zwanzig Jahre taz in neunzig Sekunden zusammenfassen, und heute rede ich über Jugoslawien.

Es gab mal eine Zeit, da war die zweitbeste Basketball-Liga der Welt gleich ums Eck: in Titoland. Eine klasse Liga, die jugoslawische: Partizan und Roter Stern Belgrad, Cibona Zagreb, KK Zadar, Bosna Sarajevo und Jugoplastika Split warfen, auf höchstem Niveau vereint, einen aus. Die jüngeren der „Itsches“, „Otsches“, „Atsches“ und „Ahs“ zogen als Djordjevic, Alibegovic, Kukoc, Divac und Radja in die Welt hinaus, um z.B. in Bormio, während der Junioren-Weltmeisterschaft 1987, arschzutreten. Mit dem Ball; zusammen; und richtig. So unverschämt viel Talent in einer Mannschaft, daß die Amerikaner gleich zweimal – in der Vorrunde (Toni Kukoc 33 Punkte, alles Dreier, 11 Treffer von 12 Versuchen) und im Endspiel – eine Schulstunde verpaßt kriegten. „Jugos sind besser“, mußten die arroganten Amerikaner mit heruntergelassenen Hosen und im Chor zur Strafe vor den Jugoslawen aufsagen. Trainer der Jugoslawen, die, wenn man mit ihnen eine rauchen ging, so nett mit den Augen zwinkerten, war Svetislav Pesic. Der Trainer der Zukunft des europäischen Basketballs.

Im Sommer 1991 waren wir für zwei Wochen im Trainingslager in Sarajevo. Trainingslager nerven traditionell, Sarajevo nicht mehr und nicht weniger. Wenn wir nicht trainierten, gingen wir ein bißchen aus, langweilten uns, die Schiene eben. Unser Hotel war dasselbe, das später CNN- berühmt wurde. Damals war es einfach ein Hotel. Irgendwann, zwischen Training und Training, tauchten dort auch Fußballer auf. Roter Stern Belgrad war Gast in der Stadt, und ich erspähte meinen Fußballhelden der späten Achtziger, den großen Robert Prosinecki. Gut. Nachmittags hing man auf dem Zimmer rum, schlief um die Wette oder starrte aus dem Fenster. Draußen vor der Tür lagerten um die 50 Fans von Roter Stern. Schlafen geh'n?

Aber was macht die Gruppe Menschen da, die auf die 50 Leutchen zustürmt? Die meisten der Belgrader Fans wissen, was droht. Schnell schlüpfen sie ins Hotel. Ein paar sind zu langsam und liegen eine Minute später schwerverletzt auf dem Boden vor dem Hotel. Und liegen dort eine halbe Ewigkeit, lange nachdem die fahnenschwingenden Angreifer abgezogen sind. Hooligans aus Sarajevo.

Die Jungs in Bormio sind erwachsen, erschreckend erwachsen spielen sie Basketball. Es ist Anfang der Neunziger, Jugoplastika Split wird zum dritten Mal in Folge Europapokalsieger der Landesmeister – ohne Ausländer –, und in Rom spaziert man, gemeinsam in der jugoslawischen Nationalmannschaft, durch die Europameisterschaft. Jugoslawien spielt auf einem anderen Niveau. Mit dabei ist auch Juri Zdovc, einer dieser Spielmacher, die am Ende eines Spiels zwei Punkte erzielt haben und trotzdem bester Spieler auf dem Platz waren. Zdovc ist Jugoslawe, neuerdings aber auch Slowene. Das weiß auch der Staatspräsident der neugegründeten Republik Slowenien. Die Mannschaft spielt seit Jahren zusammen, Slowenien noch nicht so lange. Zdovc muß sich entscheiden: die Mannschaft oder Slowenien. Juri Zdovc ist seitdem der beste Aufbauspieler Sloweniens.

Svetislav Pesic stammt aus Novi Sad, spielte in Belgrad Basketball und wurde als Aufbauspieler 1979 mit Bosna Sarajevo Europapokalsieger. Nachdem er seine aktive Karriere beendet hatte, wurde er dort Trainer und coachte außerdem die jugoslawische Jugend- und Juniorennationalmannschaft der Jahrgänge 67 und 68, mit denen er Europa- und Weltmeister wurde und von denen vier Spieler in der NBA spielen oder spielten. Svetislav Pesic verließ 1987 seine Wahlheimatstadt Sarajevo, um in Deutschland Bundestrainer zu werden. Seit 1993 ist er Trainer für Alba Berlin, dort spielten oder spielen für ihn: Teoman Alibegovic, ein Bosnier mit slowenischem Paß, Sascha Obradovic, Serbe, Mario Primorac, Bosnier, der jetzt auf kroatischem Gebiet lebt, Stipe Papic und Drazan Tomic, Kroaten mit deutschem Paß, Vladimir Bogojevic und Marco Pesic, Serben mit deutschem Paß, und neuerdings Robert Maras, Kroate mit deutschem Paß. Assistenztrainer und langjähriger Freund von Pesic ist Emir Mutapcic, genannt „Mucki“, ein Bosnier. Pesics Frau Vera ist Kroatin, sein Freund Bruno Soce, Trainer von Bonn, ist auch ein Kroate. Es gab einmal eine Zeit, da hätte man sich diesen ganzen Kommasalat sparen können, damals, in Jugoslawien.