■ Querspalte
: Deutsch-deutsche Allergien

Es juckt so fürchterlich. Überall. Wenige Monate, bevor das Feiertagsgedöns zum zehnten Jahrestag des Mauerfalls beginnt, wurde die Vorfreude auf das deutsch-deutsche Volksfest empfindlich gestört. Eine „neue Seuche“ soll im Osten grassieren. Das sagte zumindest Adrian Gillisen von der Uniklinik Bonn kürzlich. Jeder vierte Ostdeutsche leide an einer Allergie, hat der Doktor herausgefunden.

Als Schuldiger wurde der „westliche Lebensstil“ ausgemacht: gut isolierte Wohnungen, die Hausstaubmilben anlocken wie nix, luxuriöse Gas- und Zentralheizungen, die so schön gemütlich einheizen, flauschige Teppiche und schnuckelige Haustiere. Und nun? Der Ostler kratzt sich und hält das Maul. Sonst heißt es wieder, die drüben können bloß jammern. Würde auch wirklich undankbar klingen, nachdem die Fertigbauplatten-Siedlungen mit neuen Fassaden verklebt, wärmeisoliert und teppichausgelegt wurden.

Herrn Gillisen würde ich gern höchstpersönlich einige Hausstaubmilben in den Kleiderschrank stecken. Da hat man sich nun eingerichtet in dem schönen Wohlstand, da wird er uns wieder vermiest. Keine Arbeit zu haben, ist das eine. Doch einem auch noch den dicken Teppich unterm Arsch wegzureißen wegen der paar Milben, das ist zuviel. Da hat sich der Ostler soviel Mühe gegeben, sich anzupassen. Erinnert sich der Ostler an die Tagesstätten, in denen Kinder abgehärtet wurden, wird er als Nostalgiker verschrien. Hängt er seinen Träumen an seine schlecht isolierte Wohnung mit Wochenend-Subotnik nach, winken Westler gelangweilt ab.

Wenn schon nicht genug Arbeitsplätze im Osten geschaffen werden, muß zumindest ein Allergiker-Beauftragter her. Es gilt schließlich das Verursacherprinzip. Die Allergiker-Beauftragten sollten wegen der Symbolik zum 3. Oktober ihre Arbeit aufnehmen. Ob das dem Westen gefällt oder nicht, juckt mich nicht. Barbara Bollwahn de Paez Casanova