Fliegender Fahrerwechsel

■ Auch nach dem überraschenden Wechsel in der Chefetage ist die Krise bei BMW noch nicht überstanden. Während die Münchner Autobauer hierzulande satte Gewinne einfahren, macht die britische Tochter Rover Milliardenverluste.

Nach der überraschenden Kür des bisherigen Produktionsvorstandes Joachim Milberg zum neuen Vorstandsvorsitzenden der Bayerischen Motorenwerke (BMW) wird sich die Hoffnung eines jungen Mitarbeiters wohl so schnell nicht erfüllen. „BMW muß endlich raus aus den Negativ- Schlagzeilen“, klagte der Mann. Nach dem beispiellosen Theater um die alte und neue Führungsriege im 22. Stock des zylinderförmigen BMW-Hauptgebäudes in München wird jedoch noch einige Zeit vergehen, bis bei den Bayern wieder Ruhe einkehrt.

Momentan steht der Münchner Konzern vor einem Scherbenhaufen. Ab heute, so prophezeite DaimlerChrysler-Chef Robert Eaton am Wochenende, werden die Übernahme-Aspiranten Schlange stehen. Seinen eigenen Konzern nahm er aber definitiv aus. General Motors, heißt es dagegen, sei interessiert. Und daß Volkswagen- Chef Ferdinand Piech schon lange gierig auf die bayerische Konkurrenz schielt, ist kein Geheimnis – auch wenn er sich derzeit zum Thema nicht äußern will.

Anders der bisherige Hauptaktionär von BMW: „Die Familie Quandt erteilt allen Spekulationen und Gerüchten über einen möglichen Anteilsverkauf eine klare Absage“, erklärte Quandt-Sprecher Thomas Gauly. Das Bekenntnis des Großaktionärs zu BMW scheint ungebrochen, vor allem nach dem Führungswechsel an der Spitze, den die Erbenfamilie mit herbeigeführt haben soll.

Auch wenn von allen offiziellen Stellen abgewiegelt wird – intern haben die Bayerischen Motorenwerke jetzt ein paar Probleme. Der jahrelange Machtkampf zwischen dem bisherigen und bis vor kurzem so hochgelobten Vorstandsvorsitzenden Bernd Pischetsrieder und seinem Gegenspieler, dem Entwicklungsvorstand Wolfgang Reitzle, Lebensgefährte der blonden Fernseherscheinung Nina Ruge, hatte schon genügend Unbehagen bei Aktionären und Mitarbeitern ausgelöst. Doch die Aufsichtsratssitzung am Freitag ließ sogar diesen Hahnenkampf eher als Running Gag erscheinen. Auf der turbulenten und mehr als achtstündigen Veranstaltung hatte die graue BMW-Eminenz Eberhard von Kuenheim, der Aufsichtsratsvorsitzende, zunächst das Rücktrittsersuchen von Pischetsrieder entgegennehmen müssen, den er selbst vor sechs Jahren zum BMW-Spitzenmann erkoren hatte. Als Nachfolger hatte er dann Entwicklungschef Reitzle vorgeschlagen. Gegen diesen Vorschlag, der schon seit Tagen durch die Medien gegeistert war, wehrte sich aber die Arbeitnehmerseite vehement, die Reitzle als knallharten Sanierer kennt. Mit Milberg zauberte Kuenheim schließlich einen nicht mehr ganz jungen neuen Firmenchef aus dem Ärmel, den in der Öffentlichkeit kaum einer kennt. Und, was für viele Branchenexperten schwerer wiegt: Weil Reitzle „das Theater nicht mehr mitmachen“ wollte, verliert BMW mit ihm nun auch noch den Mann, der als der „Visionär“ im Konzern galt und der die erfolgreiche, aber auch rücksichtslose Modellpolitik wie kein anderer verkörperte. Nun wendet sich die Kritik gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden. Er habe einen simplen Führungsstreit zum Fiasko ausufern lassen, heißt es in der Branche.

Was von dem neuen Konzernchef Milberg zu erwarten ist, das können derzeit selbst Konzernvertreter nicht sagen. Für Milbergs Vorstandskollegen Horst Teltschik jedenfalls kam diese Berufung, wie er einräumte, auch überraschend.

Auslöser des radikalen Umbaus der BMW-Führung waren in erster Linie die Probleme bei der britischen Konzerntochter Rover. Das Nachrichtenmagazin Focus berichtet, BMW habe wegen eines Verlustes bei Rover von 1,8 Milliarden Mark 1998 einen Gewinnrückgang um etwa 150 Millionen Mark auf 1,1 Milliarden verzeichnen müssen. Für das laufende Jahr 1999 rechne der Konzern sogar mit Rover-Verlusten von rund 2 Milliarden Mark.

Ein BMW-Sprecher wollte diese Zahlen mit Hinweis auf die aktuellen radikalen Änderungen im Konzern nicht kommentieren. Der Konzern hatte aber zuvor schon erklärt, sein Gewinn werde 1998 wegen der Rover-Verluste erstmals seit längerem sinken. Für die Probleme bei Rover wurde Pischetsrieder verantwortlich gemacht. Er sei, heißt es in Mitarbeiterkreisen, bei den Briten nicht entschlossen genug aufgetreten, habe die „vor sich hinwursteln“ lassen, obwohl intern längst ihre mangelnde Kompetenz und Kooperationsbereitschaft moniert worden sei.

Trotz aller Turbulenzen müssen sich wohl nur die Aktionäre, kaum aber die deutschen Arbeitnehmer um ihre zukünftigen Einkünfte sorgen. Das Durcheinander bei BMW würde sich nicht negativ auf die Werke des Automobilkonzerns im Freistaat auswirken, meint der IG-Metall-Chef in Bayern, Werner Neugebauer: „Regensburg, Landshut, Dingolfing und München stehen top da.“ Stefan Kuzmany