Tassen von der Polizei

■ Bremens erster anarchistischer Infoladen hat am Samstag in Hastedt eröffnet

An einer Ampel nah der Straßenbahnhaltestelle Am Hulsberg weht die schwarz-rote Fahne. Tobt in Haststedt die Revolution der Arbeiterräte? Noch nicht ganz. Wenn es aber wenn es nach den Betreibern eines kleinen, neuen Infoladens in Bremen geht, ist man mit der Eröffnung dieses ersten Stützpunktes für Radikal-Gewerkschaftler auf dem Weg dorthin ein kleines Stückchen weiter gekommen.

Zu dessen Eröffnung hatte am Samstag die „Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union“ (FAU) geladen. In ihr sind all jene organisiert , die durch den „Anarchosyndikalismus“ die kapitalistische Gesellschaft in eine anarchistische umwandeln möchten.

Und das sind erstaunlich viele: Rund fünfzig Schülerinnen und Schüler, Studis und alte Genossen drängeln sich um ein reichhaltiges Frühstücksbuffet, lümmeln auf ausgefransten Sesseln, schwatzen und amüsieren sich. Der Kaffee ist stark und wird aus augenscheinlich geklauten Tassen getrunken. Anders ist der Tassen-Aufdruck „Gewerkschaft der Polizei“ wohl kaum zu erklären. Die meisten Besucher sind in der FAU. Allerdings: Struppelbärtige Bombenleger finden sich nicht bei der anachistischen Eröffnungsfeier. Sprengstoffwerkstatt? Fehlanzeige. Auch eine verdächtige Hintertür führt nur zum Sanitärbereich des Ladens.

Die Anwohner trauen dem neuen Anarcho-Lädchen aber noch nicht. Skeptisch schielen sie durch die Schaufensterscheibe. Rein in den schwarz-roten Laden trauen sie sich nicht. Nur von weitem betrachten sie die vielen Bücher zu gewerkschaftlichen und anarchistischen Themen – krude kopierte DIN A 5-Heftchen, von denen rauschebärtige Revoluzzer mit langen russischen Nachnamen grimmig blicken.

Zwar gehört es zu den selbstformulierten Zielen der FAU, mit diesem Stützpunkt eine Anlaufstelle zu schaffen – nicht nur für gestanden Politniks, sondern auch für Leute aus dem Stadtteil. „Aber das braucht Zeit“, weiß Martin, einer der Organisatoren des FAU-Ladens. „Wir sind ja eine soziale Bewegung und hoffen, daß der Laden in diesem Stadtteil erst der Anfang ist.“ Und Student Henner von der FAU sagt: „Natürlich wollen wir offen sein für die Leute. Einerseits wollen wir nicht andere abschrecken, aber andererseits auch nicht konturlos werden. Wir haben klare Meinungen in wirtschaftlichen und politischen Fragen, und da bekennen wir Farbe.“

Die Bewegung fußt auf einem Mix aus anarchistischen Ideen und gewerkschaftlichen Handlungsansätzen. Die meisten Mitglieder sind Schüler und Studenten. Logisch, daß der erste Schritt der FAU in Bremen die Gründung des „Bildungssyndikats“ gewesen ist – einer radikalen Gewerkschaft für alle im Bildungsbereich Tätigen, vom Professor bis zur Putzfrau. „Wir sind kein Teil irgendeiner Szene, sondern eine eigenständige gewerkschaftliche Organisierung,“ sagt Martin. „Deshalb brauchen wir auch eigene Räume und nicht irgend ein verstecktes Büro.“

Daß es aber die Verfechter des allgemeinen „Tu was du willst“ überhaupt geschafft haben, einen Laden zu organisieren, hat viele überrascht. Bisher hatten die Jung-Anarchisten in der linken Szene eher mit Enthusiasmus als mit Resultaten auf sich aufmerksam gemacht. „Unser Prinzip ist Selbstorganisierung – ohne Chef und ohne Führer, aber verbindlich“, sagt Martin. Soll heißen: Keiner wird gezwungen, nervige Sachen zu machen. Wer sie macht, tut das aus Überzeugung,. Neben Martin fühlen sich noch rund 20 weitere Leute für das Projekt verantwortlich und übernehmen ehrenamtlich Ladenschichten. Finanziert wird die Ladenmiete aus den Mitgliedsbeiträgen der FAU. Ein Solikonzert am 6. Februar im Freizeitheim Friesenstraße soll dann endlich auch das Geld für das Mietdeponat bringen.

Der FAU-Laden Am Schwarzen Meer 161 hat täglich von 15 – 19 Uhr geöffnet.

Lars Reppesgaard