Wohltaten für die Patienten müssen bezahlt werden

■ Mit dem Vorschaltgesetz will die Bundesregierung schon 1999 Kosten einsparen. Die Ärzte wehren sich gegen eine Budgetierung der Arzneimittel und die Begrenzung ihrer Honorare

Bundesgesundheitsministerin Fischer (Grüne) kann sich einer Pionierleistung rühmen, um die sie wohl niemand in der Regierung beneiden wird. Kaum sechs Wochen im Amt, hat sie zwar das erste Gesetz durchgebracht. Am Freitag, wenn es dem Bundesrat zur Zustimmung vorliegt, wollen ihr die Ärzte aber tausendfachen Widerstand entgegenhalten. An diesem Tag sind Patienten in Arztpraxen unerwünscht. Das Wort „Streik“ will niemand der ärztlichen Standesvertreter in den Mund nehmen, „Protest- und Aufklärungstag“ klingt da schon vornehmer. Gemeint ist dasselbe. Die Praxen der rund 115.000 Ärzte sollen erst gar nicht geöffnet werden.

Vor allem niedergelassene Ärzte beklagen, daß das von Fischer vorgelegte Vorschaltgesetz sie unweigerlich in den Ruin treibe. Die Patienten sollen entlastet, die Leistungen verbessert, mehr Kosten sollen von den Krankenkassen übernommen werden – der Beitrag zur Krankenversicherung soll aber stabil bleiben. Es gleicht schon jetzt der Quadratur des Kreises. Dabei soll die eigentliche Gesundheitsreform erst im Jahr 2000 kommen.

Auf Vergünstigungen können sich beim Vorschaltgesetz hauptsächlich die Patienten freuen. Wie im Wahlkampf versprochen, sinken die Zuzahlungen für Arznei- und Heilmittel ab dem 1. Januar je nach Packungsgröße um 1 bis 3 Mark. In diesem und dem kommenden Jahr wird das Notopfer für die Krankenhäsuer von jeweils 20 Mark gestrichen. Jugendliche, die nach dem 31.12.1978 geboren sind, erhalten wieder den vollen Zahnersatz. Diese Wohltaten kosten Geld. Die Krankenkassen werden 1999 voraussichtlich 2,1 Milliarden Mark mehr ausgeben. Da die Versicherten aber nicht durch höhere Beiträge belastet werden sollen, soll eine Milliarde Mark durch die geplanten Kassenbeiträge der 620-Mark-Jobs finanziert werden. Eine weitere Milliarde will man bei Ausgaben im Arzneimittelbereich sparen.

1999 dürfen für Arzneimittel 7,5 Prozent mehr ausgegeben werden als 1996. Im kommenden Jahr wird das Arzneimittelbudget etwa 74,3 Milliarden Mark umfassen. Seit 1993 existiert dieses Instrument zur Steuerung der Verordnungsmenge. Die jeweilige regionale kassenärztliche Vereinigung und die Verbände der Krankenkassen vereinbaren ein gemeinsames Jahresbudget als Obergrenze für alle im Bereich niedergelassenen Vertragsärzte für Arznei-, Verband- und Heilmittel. Kommt es zu einer Budgetüberschreitung, obliegt den Ärzten – ungeachtet der Ursachen – eine gemeinsame und somit kollektive Ausgleichspflicht gegenüber den Kassen.

Als Horst Seehofer, der vormalige Gesundheitsminister, die Budgets einführte, hielt sich kaum eine Arztgruppe an die Höchstgrenzen. Als die Budgets überzogen waren, hatte er keine Handhabe gegen die Ärzte. Sie weigerten sich, kollektiv für einen Ausgleich zu sorgen. Seehofer blieb machtlos. Andrea Fischer weiß, wie schnell sie mit Budgets ins Leere laufen kann, und hat mit dem jetzigen Gesetz die Ärzte gleichzeitig von Seehofers alten Regreßforderungen befreit, in der Hoffnung, daß ihr bei der Ausgabenbegrenzung für das kommende Jahr mit Wohlwollen gedankt wird. Sie hat aufs falsche Pferd gesetzt. Die Kassenärzte wehren sich gegen jede Art der Budgetierung.

Allerdings haben nicht alle Kassenärztlichen Vereinigungen ihre Probleme mit den Budgets. Im Saarland und in Baden kommen die Ärzte sehr gut damit zurecht. Dort helfen die Kassenärztlichen Vereinigungen den Ärzten mit Behandlungsleitlinien und Verordnungsmanagement, um die Ausgaben in den Griff zu bekommen. Die Ärzte in Mecklenburg-Vorpommern hingegen liegen seit Jahren weit über ihren Budgets.

Selbständige Ärzte mögen es auch nicht, wenn ihre Honorare begrenzt werden. Im vergangenen Jahr konnten sie insgesamt 41 Milliarden Mark unter sich aufteilen. Für 1999 dürfen sie maximal mit einer Steigerung von 4,6 Prozent rechnen. Nach einem komplizierten Verfahren wird den jeweiligen Arztgruppen das Honorar zugeteilt. Jede Leistung, die der Arzt vornimmt, ist mit einem bestimmten Punktwert versehen. Theoretisch bedeutet dies, daß dem Arzt um so mehr Honorar steht, je mehr hochbewertete Leistungen er vornimmt. Als z.B. vor einigen Jahren die sogenannte sprechende Medizin gegenüber der Apparatemedizin aufgewertet wurde, schnellten die Gesprächsleistungen der Ärzte um bis zu 30 Prozent in die Höhe. Weil aber das Gesamtbudget fest vereinbart ist, kommt es zwangsläufig zu Absenkungen der Vergütungen für einzelne Leistungen. Deswegen klagen die Ärzte über niedrige Honorare.