Bitte „keine Medienshow“

■ Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, findet das Bündnis für Arbeit wichtig – möchte aber mit am Tisch sitzen. Zuvor die Steuerschlupflöcher der Großindustrie stopfen

taz: Sie beklagen, daß der Mittelstand nicht mit am Tisch sitzt. Ist das Bündnis für Arbeit ohne Sie nichts wert?

Mario Ohoven: Trotz Zusage wurden wir nicht eingeladen. Dabei arbeiten 68 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland in unseren Betrieben, das sind 25 Millionen Menschen. Und wir bilden 80 Prozent der jungen Menschen aus. Wir sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Spätestens wenn der Kanzler die Beschlüsse, die zu mehr Arbeit führen sollen, in die Tat umsetzen will, steht der 100prozentig vor unserer Tür.

Ist das Bündnis wichtig?

Ja. Entscheidend für den Erfolg ist aber, ob sich die Regierung mit einer Medienshow zufrieden geben möchte oder ob sie einen wirklichen Beitrag leisten will.

Rente, Ausbildung, Niedriglohnsektoren sind die falschen Themen?

Das alles ist wichtig. Aber wir brauchen eine tiefgreifende Steuerreform. Der Wirtschaftsminister meint zwar, daß wir Mittelständler mit der Steuerreform zufrieden sein könnten, aber 40 Prozent der multinationalen Unternehmen zahlen in Deutschland keine Mark Steuern, der Mittelstand führt im Durchschnitt knappe 60 Prozent ab. Und wenn wir Großunternehmen mehr Subventionen geben, als sie Steuern zahlen, frage ich mich doch, wo wir hier sind?

Unabhängig von den Steuern: Was ist der Mittelstand bereit, für ein Bündnis für Arbeit zu geben?

Der Mittelstand braucht kein Bündnis um etwa der Ausbildungsverpflichtung nachzukommen. Würde die Großindustrie auch nur ansatzweise so viele Ausbildungsplätze anbieten wie wir, bräuchte man sich darüber nicht zu unterhalten. Zum dem Tariffonds kann ich nur sagen: Die Kuh, die im Himmel frißt und auf Erden Milch gibt, kenne ich noch nicht. Aber wir müssen in der Tat darüber nachdenken, wie die Rente mit 60 finanziert werden soll. Wenn allerdings der Mitarbeiter früher in Rente geht – dann sollte er auch den größten Teil der Belastung tragen.

Will der Mittelstand mehr Teilzeitstellen anbieten?

Ich kann doch keine Teilzeitbeschäftigte einstellen, wenn ich dafür keine Arbeit habe.

Stimmen Sie einer Absenkung der Höchstarbeitszeit von 60 Wochenstunden zu?

Deutschland hat die höchsten Lohnnebenkosten der Welt. Wir haben den längsten Urlaub, die höchsten Krankenstände und die höchsten Arbeitskosten. In USA arbeitet der Facharbeiter zirka 1.957 Stunden, in Japan 1.940 und in Deutschland 1.537 Stunden. Ich sehe es nicht, daß man mit weniger Arbeitszeit die deutsche Wirtschaft nach oben bringt.

Fordern Sie Niedriglöhne?

Wir sind kein Land mit Niedriglöhnen, sondern haben ein Hochpreisgefüge mit einer hohen Produktivität. Bei uns sind die Anforderungen an die Arbeitnehmer besonders hoch, da bleiben viele Menschen auf der Strecke. Das ist das Grundproblem der Langzeitarbeitslosigkeit. Hier könnten staatliche Lohnzuschüsse helfen. Allerdings müßten sie zeitlich befristet werden und dürften nur bei wirklicher zusätzlicher Beschäftigung gewährt werden. Mißbrauch muß ausgeschlossen werden. Es macht keinen Sinn, wenn ich heute meinen Fahrer entlasse und ihn morgen zu einem Niedriglohn mit staatlicher Unterstützung wieder einstelle.

Welche Chancen haben die Gespräche, und wollen Sie noch daran teilnehmen?

Wir helfen, Arbeitsplätze zu schaffen. Die Regierung soll alles besser in den Griff bekommen. Wenn die Gespräche dazu dienen, daß sich im Konsens eine zukunftsfähige Strategie für unser Land finden läßt, glaube ich an einen Erfolg der Gespräche. Bislang ist das nicht erkennbar. Interview: Annette Rogalla