Mit Lohnverzicht in die Rente ab sechzig

■ Bundesarbeitsminister Riester will einen Teil der jährlichen Lohnsteigerung in einen Rentenfonds fließen lassen. Damit sollen die Rentenverluste, mit denen ein 60jähriger zu rechnen hat, aufgefangen werden. Wirkung auf den Arbeitsmarkt ist umstritten

Berlin (taz) – Eine Woche vor dem Beginn der Gespräche über das Bündnis für Arbeit hat Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) seine Vorstellungen über die Rente mit 60 konkretisiert. Ein Prozent der jährlichen Lohnsteigerung könne in einen Fonds eingebracht werden, um die gesetzlich vorgegebenen Rentenabschläge zu kompensieren. Bei seiner Aussage, die er per Bild am Sonntag verbreitete, stützt sich Riester auf Modellrechnungen. Er sagte gleichzeitig: „Es ist Sache der Tarifparteien, die Höhe (des Beitrags, d. Red.) festzulegen.“ Die einbehaltene Lohnsteigerung solle direkt in die Kasse des Fonds fließen und nicht ausgezahlt werden. Im Gegenzug sollten die Arbeitgeber aber nicht verpflichtet werden, freiwerdende Stellen wieder zu besetzen. „Das wäre realitätsfremd“, so Riester. Mit diesen Äußerungen hat der Arbeitsminister und vormalige Vizechef der IG Metall den Vorschlag der Gewerkschaft voll übernommen.

Seit Wochen propagiert IG-Metall- Chef Klaus Zwickel diese Idee. Nach seinen Vorstellungen soll der Tariffonds zum zentralen Punkt im Bündnis für Arbeit werden. Wenn jährlich von den Lohnerhöhungen ein Prozentpunkt abgezweigt und in den Fonds geleitet werde, rechnet die IG Metall vor, kämen innerhalb von fünf Jahren 180 Milliarden Mark in den Topf. Damit sollen die bis zu 18 Prozent an Rentenabschlägen, die ein 60jähriger heute zu erwarten hat, aufgefangen werden. Die Wirkung für den Arbeitsmarkt wäre enorm. Die IG Metall geht von drei Millionen Beschäftigten aus, die heute älter als 55 sind. Etwa 2,4 Millionen von ihnen seien bereit, vorzeitig aus dem Arbeitsleben zu gehen. Würde nur jede dritte Stelle wiederbesetzt, fänden rund 780.000 Arbeitslose einen Job, meint Zwickel.

Von der Fonds-Idee sind bislang aber noch nicht einmal alle Gewerkschafter begeistert. Die Einführung eines tariflichen Rentenfonds werde die Arbeitslosigkeit nicht verringern. Sie werde vielmehr die Rentenkasse belasten und den Anstieg der Renten deutlich bremsen. Dies erwartet Erich Standfest, Sozialexperte des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Der amtierende Vorsitzender des Verbands Deutscher Rentenversicherer weist im taz-Interview auf die möglichen Benachteiligungen hin, welche vor allem ältere Arbeitslose träfen. Als Folge des Fonds würden auch die Nettoeinkommen sinken, konstatiert Standfest.

Die Arbeitgeber, die zunächst heftige Kritik am Fonds übten, senden nun erste freundliche Signale. Würden allerdings Fonds als Ergänzung zur betrieblichen Rente konzipiert und allein von den Beschäftigten finanziert, sei dies ein „Akt der Solidarität“ und ein „sinnvolles Instrument der Beschäftigungspolitik“, meint Ludolf von Wartenberg, Geschäftsführer beim Bundesverband der Deutschen Industrie. Annette Rogalla

Bericht, Interview Seite 7, Kommentar Seite 12