Erst fragen, dann scannen

■ Zweite Runde im CD-ROM-Musterprozeß gegen den „Spiegel“: Sieg der Fotografen

Weil er ungefragt und ohne Honorar dafür zu bezahlen, Fotos auf CD-ROMs publizierte, muß der Spiegel jetzt die Scheiben seiner Jahrgänge 1989–1993 aus dem Verkehr ziehen und Schadensersatz in noch festzusetzender Höhe bezahlen. Das entschied gestern morgen in zweiter Instanz das Hanseatische Oberlandesgericht (Az.: 3 U 212/97).

Vor zwei Jahren hatte die Fotografen-Vereinigung FreeLens einen Musterprozeß gegen das Nachrichtenmagazin angestrengt (vgl. taz vom 2.11. 1996: „Wie im Wilden Westen“). Beim Landgericht waren die FreeLenser jedoch im August 1997 unterlegen. Dessen Vorsitzender Wolfgang Neuschild war der von vielen Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen, inklusive der taz, hartnäckig vertretenen Auffassung des Spiegel-Justitiars Dieter Krause gefolgt, wonach die CD-ROMs eine Art Faksimiles der Druckfassung und damit urheberrechts- und honorarfrei seien. Im Gegensatz dazu urteilte jetzt der Vorsitzende des 3. Senats des OLG, Herrmann Brüning, das Recht des Spiegel-Verlages zur Publikation von Fotos in ihrer Zeitschrift beinhalte nicht zugleich das Recht, die Fotos auf CD- ROM zu übertragen. Die CD- ROM sei eine neue, selbständige Nutzungsart, für die Nutzungsrechte eingeräumt werden müßten. Dies hätten die betroffenen Fotografen aber weder ausdrücklich noch konkludent getan. Nach dem Urheberrecht sei der Spiegel deshalb erstens zur Unterlassung und zweitens wegen Verletzung dieses Rechtes „in mindestens 707 Fällen“ dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet. Alles in allem können so Forderungen in sieben- bis achtstelliger Höhe auf den Verlag zukommen. (Und auf alle Medienschaffenden vielleicht endlich das Ende des Stillschweigend-Beklautwerdens.)

Vom Spiegel war bislang nur Vorläufiges zu erfahren. Justitiar Krause zeigte sich etwas enttäuscht. Man habe gedacht, sagte er auf Anfrage, daß die Verurteilung zu Schadensersatz „nachträglich die urheberrechtliche Erlaubnis fingiert“. Zwischen den Gerichten stünde es nun 1:1, soweit rechtlich möglich werde man aber auf jeden Fall vor den Bundesgerichtshof gehen. Ulla Küspert