Weinprobe
: Weine und Beziehungen

■ Harmonie in herber Landschaft: Das Bio-Weingut ChÛteau La Canorgue in der Provence

„Du mit deinen ewigen Weingütern!“ Beate weigerte sich. Schon wieder wollte ich in unserem Provence-Urlaub einen dieser freundlichen und stolzen Winzer besuchen. Ich liebe das: Erst würde er uns stolz über seine pittoresken Weinberge, dann in den kühlen Keller führen. Er würde selbstverständlich den einen oder anderen guten Tropfen anbieten und dabei einen gelehrten Vortrag halten. Wein, das ist für mich Genuß, Kultur, Bildung und Geselligkeit, schlechthin alles Gute in einem. Ich liebe das.

Aber Beate nicht. Sie wollte wandern. Nun gut, erst gestern hatte ich sie in der glühenden Hitze an den Rebzeilen eines dieser Bio-Weingüter vorbeigeschleppt, die hier in nicht allzu geringer Dichte zu finden sind. O.K., in dieser eher herben als lieblichen Landschaft des Luberon ist wandern ja auch nicht schlecht, die wilden Schluchten, der betörende Kräuterduft, die winzigen Dörfer, die so verlassen wirken, weil die Pariser (resp. Lyoner/Berliner) Hausbesitzer nur im August da sind.

So aber kam ich um das Vergnügen, Martine und Jean-Pierre Margan auf ihrem Weingut ChÛteau La Canorgue bei Bonnieux zu besuchen. Konnte nicht ihre dreißig Hektar Weinterrassen betrachten, die schützend von Buschwerk eingefaßt sind. Konnte mir nicht authentisch die Geschichte vom Versicherungsmakler und der Krankenschwester erzählen lassen, die sich 1977 entschieden, das heruntergekommene Gut aufzupeppen. Und den Wein mußte ich später daheim im Geschäft besorgen (aber dazu sind Geschäfte schließlich da).

Wie schon der Urlaub, war dann auch die Weinprobe nicht nur vergnüglich. Nicht etwa wegen des Weins. Den fand ich vorzüglich. Aber Beate war auch dabei. Sie hat nicht nur keine Lust, Weingüter zu besuchen, sondern kann auch beim Degustieren recht anstrengend sein.

Beim Weißwein von ChÛteau La Canorgue, dem 1996er Côtes du Luberon Blanc, einem Verschnitt aus mehreren gebietstypischen Rebsorten, erschnüffelte ich angenehme Aromen von Zitrusfrüchten, Beate ließ sich allenfalls auf Stachelbeere ein. Ihren Geschmackseindruck konnte ich dann gar nicht teilen: „Viel zu sauer“, preßte sie mit verzogenem Gesicht heraus. „Sauer“, versuchte ich Beate zu überzeugen, „sauer sind vielleicht manchmal trockene deutsche Rieslinge, aber doch nicht dieser schöne runde und kräftige Wein. Beachte außerdem den langen Nachhall!“ „Ach, du mit deinem aufgeblasenen Weinexpertenjargon. Gib mir den Rotwein.“

Gottlob war Beate dem 1995er Rouge, einer Cuvée, bei der die Rebsorte Syrah dominiert, deutlich freundlicher gesonnen. Einträchtig freuten wir uns über den vielversprechenden Cassisduft, dem im Mund allerlei südländische Noten folgen: Thymian, überhaupt Wildkräuter, steiniger Boden, insgesamt ein eher eleganter als schwergewichtiger Wein. Am Zungenrand schmeckten wir Salbei. Da mußte Beate schon wieder lästern: „Wie Bronchicum-Tropfen ohne Zucker“. Ich geb's auf. Fest steht jedenfalls: Bronchicum-Tropfen sind teurer. Eberhard Schäfer

Die besprochenen Weine sind für je DM 14,80 erhältlich bei Rebgarten, Bergmannstraße/Ecke Mehringdamm, Tel.: 694 55 02.