Schweizer stimmen über Lastwagengebühren ab

■ Falls Spediteure und Lkw-Fahrer sich durchsetzen und die Schwerverkehrsabgabe in der Volksabstimmung kippen, wäre der Alpen-Transitvertrag zwischen EU und Schweiz gefährdet

Genf (taz) – Am Wahlsonntag in Deutschland stimmen auch die SchweizerInnen ab – über die geplante Schwerlastverkehrsabgabe. Die Volksabstimmung rief in den vergangenen Monaten weit mehr engagiertere Debatten hervor als der gesamte inhaltsleere Wahlkampf in Deutschland. Zwar stimmten 1994 bereits zwei Drittel der Schweizer für eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LVSA). Aber die konkrete Ausführung löste heftigen Protest der Spediteure aus. Gewinnen sie am Sonntag, wäre das auch ein Rückschlag für die EU.

Ab 1999 will die Berner Regierung eine Abgabe erheben für eidgenössische Lkw und andere über 3,5 Tonnen schwere Fahrzeuge. Die auf jährlich 1,5 Milliarden Franken (1,8 Milliarden Mark) kalkulierten Einnahmen sollen zu einem Drittel an die 26 Kantone gehen für bislang ungedeckte Kosten des Straßenverkehrs; die anderen zwei Drittel dienen zur Finanzierung der beiden großen Bahnprojekte NEAT (neue Eisenbahntunnel für den Güterverkehr durch die Alpen) und Bahn 2.000 (Ausbau und Modernisierung des Intercity-Netzes), zum Anschluß der Schweiz Bahn an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz – sowie für Lärmschutzmaßnahmen.

Für den einzelnen Lkw-Fahrer hängt die Höhe der Abgabe ab vom Gesamtgewicht seines Fahrzeugs und den gefahrenen Kilometern. Bei der bislang gültigen, sehr niedrigen pauschalen Jahresabgabe spielen die gefahrenen Kilometer keine Rolle. Als Höchstsatz für LSVA sind zunächst 2,5 Rappen (drei Pfennige) pro Tonne und Kilometer vorgesehen. Er soll auf drei Rappen erhöht werden, wenn Bern die bislang gültige Gewichtsobergrenze von 28 Tonnen für Lkw auf Schweizer Straßen auf 40 Tonnen anhebt. Die Erlaubnis der schweren Lkw war eine der zentralen Forderungen der EU in den Verkehrsverhandlungen mit der Schweiz. Von ihrer Erfüllung erhofft sich die Berner Regierung, daß die EU dann auch der Schweizer Forderung nach einer Transitgebühr für ausländische Lkw von 320 Franken zustimmt.

Neben den Umweltverbänden werben fast alle führenden Politiker des Landes – mit Ausnahme des rechtspopulistischen Europagegners Christoph Blocher – für die Annahme der LSVA. Ihre Argumente: Die LSVA sei Voraussetzung für die Finanzierung sämtlicher Zukunftsprojekte der Bahn, insbesonders der NEAT-Tunnel, die bis zu 30 Milliarden Franken kosten sollen. Immer mehr Lastwagen im Transitgüterverkehr würden die Umwelt und Verkehr in der Alpenrepublik gefährden. Und die Regierung befürchtet auch den Zusammenbruch der Verhandlungen mit der EU.

Lkw-Fahrer und Speditionen kämpfen erbittert gegen die „Steuer, die unsere Existenz vernichtet“. Es wird erwartet, daß die LSVA-Gegner alle ihre Anhänger zur Abstimmung mobilisieren können. Ihr Ausgang hängt davon ab, ob dies auch den Befürwortern gelingt. Andreas Zumach