Zwischen Äthiopien und Eritrea droht ein neuer Krieg

■ An der Grenze beider Länder stehen sich 450.000 Soldaten unter Waffen gegenüber. Internationale Vermittlungsbemühungen scheinen kaum noch Aussicht auf Erfolg zu haben

Nairobi (taz) – Die Zeichen im Grenzkonflikt zwischen Eritrea und Äthiopien stehen auf Sturm. Groß ist die Gefahr, daß Äthiopien – wie dessen Minsterpräsident Meles Zenawi im Juli angedroht hat – versuchen wird, „Eritrea eine Lektion zu verpassen“. Die Regenzeit am Horn von Afrika geht dem Ende zu, und damit beginnt die Zeit, in der die Armeen wieder besser eingesetzt werden können. Die äthiopische Regierungssprecherin Salome Tedesse sagte gegenüber der taz, die äthiopische Mobilisierung sei „fast abgeschlossen“.

Beide Seiten geben zwar keine Informationen über ihre Truppenstärke, aber Beobachter gehen davon aus, daß sich nach dem Beginn des Grenzkonfliktes Anfang Mai inzwischen an der gemeinsamen Grenze rund 450.000 Soldaten gegenüberstehen – mehr als 200.000 auf eritreischer und mehr als 250.000 auf äthiopischer Seite. Das ist die größte Truppenkonzentration in Afrika – weit mehr zum Beispiel als in Angola oder dem Kongo –, und beide Seiten verfügen noch über eine große Zahl schwerer Waffen aus Sowjetbeständen.

Die Chancen für eine Vermittlung in diesem Konflikt sind inzwischen wohl gering. Zwar gibt es der Form nach noch immer eine Initiative der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU), aber von ihr wurde seit mehreren Wochen nichts mehr gehört – was, glaubt man dem Sprecher der eritreischen Botschaft in Nairobi, Kidane Woldeyesus, am „Kongo-Faktor“ liegt. Aber nicht nur: Denn anfänglich hatten die USA und Ruanda, zwei einflußreiche Länder in Ost- Afrika, gemeinsam zu vermitteln versucht.

Ihre Initiative, die auch die OAU zum Vorbild nahm, sah vor, daß Eritrea sich vor Verhandlungen über die Grenzziehung aus der umstrittenen Badme-Region zurückzieht. Äthiopien sieht sich seither im Recht, forderte internationale Wirtschaftssanktionen gegen Eritrea und mobilisierte für den Krieg.

Nun hat am Wochenende ein Sicherheitsberater des US-Präsidenten (Anthony Lake) noch einmal angeboten, zwischen Asmara und Addis Abbeba zu vermitteln. Ein Sprecher des eritreischen Präsidenten Isayas Afewerki zeigte sich jedoch am Samstag abend gegenüber der BBC skeptisch über die Chancen einer solchen Vermittlung.

Beide Länder beschuldigen sich gegenseitig, viele ihrer jeweiligen Landsleute im Nachbarland enteignet, festgenommen, interniert, deportiert oder umgebracht zu haben. Und die beiden Regierungen, einst im gemeinsamen Kampf gegen das Derg-Regime geeint, pflegen nun eine leidenschaftliche Feindschaft. Seine Kollegin Salome Tedesse, sagt Botschaftssprecher Woldeyesus, erinnere ihn „an Goebbels in den vierziger Jahren“.

Der äthiopische Präsident Negaso Gidada hat in seiner Ansprache zum äthiopischen Neujahr, Mitte September, noch einmal bekräftigt, daß „Geduld ihre Grenzen hat. Wenn sich die eritreische Regierung nicht aus den besetzten Gebieten zurückzieht, bleibt für uns nur eine Möglichkeit offen: Gewalt zu benutzen, um unsere territoriale Integrität und Souveränität zu verteidigen.“

Das schreckt Woldeyesus jedoch nicht. „Wir haben dreißig Jahre ohne jede Unterstützung gegen Äthiopien und seine russischen Verbündeten gekämpft, und Äthiopien konnte uns nicht besiegen“, sagt er und gerät merklich in Fahrt. „Wir kennen den Krieg, wir hassen ihn, aber wir lebten ihn. Wenn Äthiopien darauf besteht, werden wir wieder in den Krieg ziehen müssen.“ Peter Böhm