Tauschwirtschaft bei Daimler

■ Auf der größten Hauptversammlung aller Zeiten sollen die Aktionäre der Daimler-Benz AG heute der Fusion mit Chrysler zustimmen. Kritiker sehen 100.000 Arbeitsplätze in Gefahr

Berlin (taz) – Große Ereignisse erfordern große Anstrengungen. Und eine große mediale Verbreitung. Die außerordentliche Hauptversammlung von Daimler-Benz zur größten Fusion der Industriegeschichte wird daher heute live im Internet übertragen. So können die weltweit verstreuten 500.000 Daimler-Aktionäre an der Redeschlacht in der Stuttgarter Schleyer-Halle zumindest virtuell teilnehmen. 16.000 Aktionäre werden real dort sein und in Großzelten über die Fusion ihres Unternehmens mit dem US-amerikanischen Chrysler-Konzern abstimmen.

Mindestens 75 Prozent der Aktien braucht Daimler-Chef Jürgen Schrempp, damit er Daimler- Chrysler gründen kann. Chrysler- Vorstandsvorsitzender Robert Eaton muß dagegen seine Aktionäre nur überzeugen, 50 Prozent ihrer Aktien gegen Daimler-Chrysler Anteile zu tauschen. Eaton wird es leicht haben. Aktionäre und Arbeiter in den USA haben die Pläne Fusion gelassen aufgenommen. Die zur Hauptversammlung erwarteten 150 Chrysler-Aktionäre werden daher heute schnell einig und ihr Ergebnis noch in die Versammlung nach Stuttgart senden.

Die Anteilseigner von Chrysler bekommen für eine ihrer Aktien 0,6235 Aktien der Daimler-Chrysler AG. Daimler-Aktionäre hingegen tauschen eins zu eins. Sollten mehr als 90 Prozent der Daimler- Aktien getauscht werden, bekommen die Anteilseigner auf 200 Daimler-Papiere eine Daimler- Chrysler Aktie umsonst. Wenn Schrempp 90 Prozent der Papiere zusammen hat, braucht er bestimmte Abschreibungen nicht zu tätigen, spart Geld und belastet das Ergebnis der kommenden Jahre nicht. Möchte ein Aktionär nicht tauschen, nützt ihm das nichts: Sein Anteil wird ab 24. Oktober, dem Ende der Umtauschaktion, zwangsgewandelt. Den Bonus bekommt der renitente Anteilseigner nicht.

Doch nur wenige werden sich der „Hochzeit im Himmel“ (Schrempp) widersetzen. Denn allein die Deutsche Bank hält 22 Prozent der Daimler-Papiere, institutionelle Anleger aus Deutschland sind mit rund 48 Prozent und Kuwait mit 13 Prozent beteiligt. Widerspruch kommt nur vom Dachverband der Kritischen AktionärInnen. Sie vertreten 250 AktionärInnen (12.000 Aktien), darunter auch Daimler-Betriebsräte. Sie befürchten, daß Daimler-Chrysler in zwei bis drei Jahren die Produktion von Benzinmotoren in den USA konzentrieren und in Untertürkheim nur noch Dieselmotoren herstellen könnte. Wenn außerdem die Entwicklung in die USA verlagert würde, Einkauf und Vertrieb zentralisiert würden, sehen die Betriebsräte bis zu 100.000 Arbeitsplätze schwinden. Ulrike Fokken