Kein Schutz fürs Friedrichshainer Milieu

■ Nach anfänglicher Zustimmung will Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) keine Milieuschutzverordnung am Boxhagener Platz - obwohl ein von ihm selbst beaufragtes Gutachten genau dafür plädie

Zwei Schritte vor und drei zurück: Im Bemühen, die sozialen Brennpunkte in der Innenstadt zu bekämpfen, hat Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) in Friedrichshain wieder den Rückwärtsgang eingelegt. Nachdem Strieder bereits im Juli dieses Jahres einer Milieuschutzverordnung für das Quartier um den Boxhagener Platz zugestimmt hatte, zog seine Verwaltung die Zustimmung nun wieder zurück. Begründung: Eine Milieuschutzsatzung trage nicht zur „Aufwertung“ und „Stabilisierung“ eines Gebietes bei. Vielmehr könne sie sogar private Anstrengungen zur Stabilisierung verhindern und führe zum Absinken des Wohnstandards. Mit dem Nein von Strieder kann der Bezirk Friedrichshain das Verfahren vorerst nicht weiterführen.

Durch die Festlegung von Milieuschutzgebieten soll die ansässige Wohnbevölkerung vor Verdrängung geschützt werden. In den betroffenen Quartieren stehen wesentliche Baumaßnahmen unter Genehmigungsvorbehalt. Außerdem besteht die Möglichkeit, Mietobergrenzen für das Gebiet festzulegen. In Berlin gibt es derzeit 13 Milieuschutzgebiete und Aufstellungsbeschlüsse bzw. Planungen für weitere 14 Gebiete. Entsprechend scharf kritisierte gestern der Berliner Mieterverein den Rückzieher Strieders. Dies sei die „Abkehr von der behutsamen Stadterneuerung und eine Kehrtwende in der Stadtentwicklungspolitik“.

In der Tat kommt das Veto der Stadtentwicklungsverwaltung überraschend. Immerhin befindet sich Strieder damit im Widerspruch zu einem Gutachten des Stadtsoziologen Hartmut Häußermann, das der Senator selbst in Auftrag gegeben hatte. In der Studie zur „sozialen Stadtentwicklung“ wird der Boxhagener Platz als einer von sechs möglichen „sozialen Brennpunkten“ in Ostberlin definiert. Neben einer Verstärkung des „Quartiersmanagements“ empfiehlt Häußermann ausdrücklich auch den Erlaß von Milieuschutzverordnungen. Es gehe vor allem darum, die Bedingungen für die ansässige Bevölkerung zu verbessern, um Wegzug zu verhindern.

Senator Strieder geht es dagegen eher darum, „Eigentum zu schaffen“. Das Instrument Milieuschutz, so Strieders Referent Philipp Mühlberg, stamme aus den 70er Jahren. Im übrigen, so Mühlberg, brauche die Senatsverwaltung „Klarheit im Bezirk“, die zum Beispiel bei der Friedrichshainer PDS-Baustadträtin Albinus-Kloss nicht gegeben sei.

Albinus-Kloss läßt sich den Schwarzen Peter freilich nicht zuschieben. Sie findet Strieders Rückwärtsschritt vielmehr „sehr merkwürdig“. Schließlich hätten sowohl Bezirksamt als auch Bezirksverordnetenversammlung (BVV) entsprechende Aufstellungsbeschlüsse gefaßt. Die dazugehörige Rechtsverordnung wurde ebenfalls bereits durch das Bezirksamt beschlossen, am Mittwoch entscheidet die BVV darüber. Auch für Albinus-Kloss ist der Sinneswandel des Senators eine „Abkehr von der sozialverträglichen Stadterneuerung“.

Daß der Milieuschutz Investitionen verhindere, hat der Berliner Mieterverein gestern zurückgewiesen. Milieuschutz verhindere nicht bauliche Verbesserungen, sondern animiere auch einkommensstärkere Haushalte zum Bleiben, weil mögliche Defizite im Umfeld durch Mietvorteile kompensiert werden. Ulrike Steglich