Kleins Staatsanwälte in Not

■ Magazin "Stern" bestätigt die Absicht des Ex-Terroristen, sich zu stellen. Die Ermittler hätten bereits früher auf seine Spur kommen können, belegt der französische Philosoph Glucksmann

Hamburg/Berlin (AP/taz) – Der frühere Terrorist Hans-Joachim Klein wollte sich freiwillig den deutschen Sicherheitsbehörden stellen. Das hat ein Journalistenteam des Stern belegt, das Klein vor der Festnahme in seinem Unterschlupf in dem Dorf Sainte-Honorine-la-Guillaume aufgesucht hatte. Diesem Team gegenüber hatte Klein angekündigt, daß er sich stellen werde.

„Ich bin irgendwo am Ende des Weges angekommen, und deshalb mußten erst mal Entscheidungen getroffen werden“, sagte Klein dem Magazin. „Ich gehe sehr ungern in den Knast, nach all den Jahren. Ich mache das, damit ich ein neues Leben beginnen kann.“ Klein versicherte dem Magazin weiterhin, daß er „nachweislich keinen umgebracht“ habe. Bei dem Termin mit den Reportern des Stern ließ er sich auch fotografieren.

Der Bericht stützt die Aussage von Kleins Anwalt Eberhard Kempf, wonach der 50jährige der Frankfurter Staatsanwaltschaft mitgeteilt habe, daß er sich freiwillig ergeben werde. Dem hatte der zuständige Staatsanwalt Holger Rath widersprochen. Er habe, so erklärte Rath einen Tag nach der Festnahme gegenüber der taz, „beim Stand der Gespräche keinen Anlaß fest und sicher davon auszugehen, daß Herr Klein sich stellen wird“.

Bereits wenige Tage später berichtete die französische Zeitung Le Figaro, daß Umzugskartons in Kleins Haus auf dessen Absicht hindeuteten. Auch die These der Staatsanwaltschaft, daß die Ermittler Klein durch „kriminalistische Kleinarbeit“ gefunden hätten und ohne Zeitverlust zuschlagen mußten, wird mittlerweile erschüttert.

Der französische Philosoph André Glucksmann erklärte gestern in einem Interview mit Le Figaro, daß er Klein unterstützt habe und daß die Polizei ohne Schwierigkeiten auf seine Verbindungen zu Klein hätte kommen können. Über Jahre hinweg habe ihm der französische Verlag Seuil „hochoffiziell“ das Autorenhonorar überwiesen, das Klein für sein auch in Frankreich erschienenes Aussteigerbuch „Rückkehr zur Menschlichkeit“ zustand.

Zu den weiteren Unterstützern Kleins gehörte auch der grüne Europa-Abgeordnete Daniel Cohn- Bendit aus Frankfurt am Main. Die hessische CDU und die hessische FDP haben deshalb gefordert, gegen Cohn-Bendit ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Die zuständige Staatsanwaltschaft Frankfurt lehnte dies ab.

Glucksmann rechtfertigte seine langjährige Unterstützung für Klein damit, daß dieser nach seinem Ausstieg aus der Terroristenszene nicht nur vor der Polizei, sondern auch vor seinen ehemaligen Komplizen habe geschützt werden müssen. Der renommierte Philosoph gehört zu einer Gruppe von deutschen und französischen Alt- 68ern, die dem Ex-Terroristen im Untergrund mit Geld aushalfen.

Klein, der sich bereits 1977 vom Terrorismus losgesagt hatte und seither auf der Flucht lebte, befindet sich derzeit in französischer Auslieferungshaft. Einen Termin für die Überstellung an die deutschen Behörden gibt es noch nicht. Auch die österreichische Justiz hat einen Auslieferungsantrag gestellt. Der Haftbefehl gegen Klein lautet auf gemeinschaftlichen Mord in drei Fällen und Geiselnahme. Er hatte 1975 an dem Überfall auf die Konferenz der OPEC-Minister in Wien teilgenommen. dr