Geschlechterreferent soll die Männer anstiften

Die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung versucht es als bundesweit erste Organisation mit der „Geschlechterdemokratie“ – anstatt mit der traditionellen Frauenförderung. Manche Männer halten das für einen feministischen Tarnkappenbegriff, andere wiederum sind begeistert. Eigens wurde ein Mann eingestellt, der seine Geschlechtsgenossen für Teilzeit und Erziehungsurlaub erwärmen soll  ■ Von Ute Scheub

Das ist immerhin das erste Mal, daß ein Mann aus feministischen Motiven eine Stelle bekommen hat“, lacht Albert Eckert, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. Er meint den Referenten Henning von Bargen, der zusammen mit seiner Kollegin Gunda Werner für das „Querschnittsreferat Geschlechterdemokratie“ zuständig ist. Henning von Bargen wurde eingestellt, weil er sich explizit mit Geschlechterfragen und Männerforschung beschäftigt hat und dieses Wissen nunmehr an die Belegschaft weitergeben soll. Das bundesweit bisher einmalige Modell der Geschlechterdemokratie sieht vor, daß auch die Männer in die Verantwortung genommen werden für das, was als „Frauenförderung“ inzwischen in der bürokratischen Sackgasse gelandet ist.

In der Stiftungssatzung genießt die „Verwirklichung von Geschlechterdemokratie als ein von Abhängigkeit und Dominanz freies Verhältnis der Geschlechter“ hohe Priorität. Alle 140 MitarbeiterInnen und besonders das Führungspersonal sind qua Arbeitsvertrag verpflichtet, sich dieser „Gemeinschaftsaufgabe“ zu widmen – formal und inhaltlich, nach innen wie nach außen. Alle Stellen sind quotiert. Der Vorstand ist mehrheitlich weiblich. Männliche Familienarbeit wird gefördert. Ebenso Kongresse und Seminare zum Thema oder StipendiatInnen des Stiftungs-Studienwerkes, die sich mit Geschlechterproblemen beschäftigen.

Von den 130 Auslandsprojekten in 56 Ländern, die die Stiftung unterstützt, sind fast die Hälfte Frauen- oder „Gender“- Projekte. In Buenos Aires beispielsweise kooperiert die Organisation mit dem „Kultur- und Frauenzentrum“, das unter anderem eine Kampagne zum „Tag der Gewaltfreiheit gegenüber Frauen“ ins Leben rief: „Wenn es ein Problem der einen Hälfte unserer Bevölkerung ist..., ist es dann nicht ein Problem der ganzen Gesellschaft?“ lautet der Leitsatz.

Und weil es ein Problem der ganzen Gesellschaft ist, hat der etwas vollschlank wirkende Begriff Geschlechterdemokratie eine Mutter und einen Vater – die allerdings voneinander nichts wußten. „You really have gender democracy“, lobte die Berliner Feministin Halina Bendkowski bei einem Besuch im US-Städtchen Duluth ein Pilotprojekt gegen häusliche Gewalt, das – anders als hiesige Frauenhäuser – Männer in die Arbeit einbezieht. Mehr oder weniger zeitgleich kam auch der Berliner Männerforscher Walter Hollstein auf das Wort. Die treffsicherste Definition stammt indes von dem schwulen Pressesprecher Albert Eckert: Demokratie gehe von der Freiheit und Gleichheit aller aus. Also gebe es „kein natürliches Vorrecht von Menschen eines bestimmten Geschlechts oder einer bestimmten sexuellen Orientierung, Herrschaft über andere auszuüben. Die Macht soll vielmehr von allen unter Achtung gegenseitiger Unterschiede geteilt werden.“

Nur dreißig Prozent der Stiftungsmitarbeiter sind männlich. Hinter dieser Zahl steht jedoch keine gezielte Strategie, sie ist das zufällige Ergebnis der Fusion der Kölner Heinrich-Böll-Stiftung mit dem Göttinger Bundstift und der – nur mit Frauenarbeitsplätzen ausgestatteten – Hamburger Frauen-Anstiftung. Es gebe schon einige Männer, die Geschlechterdemokratie als „neuen feministischen Tarnnamen“ sähen, lautet die Einschätzung von Pressesprecher Albert Eckert. Viele andere aber begriffen die Prozeßhaftigkeit der Sache auch als Chance. Allerdings sieht auch Geschlechterdemokratiefan Eckert eine Gefahr: Das Konzept „darf nicht zur Alternativbürokratie werden, sondern muß immer wieder neu mit Leben gefüllt werden.“

Am Anfang habe er gedacht „O Gott!“, bekennt der aus Thüringen stammende Michael Stognienko von der Inlandsabteilung. Als „Zoni“ habe er etwas gegen „Verkündigungen von oben“. Die Geschlechterdemokratie aber stelle Kriterien zur Verfügung, die „kein Fallbeil sind, sondern eine Hilfe“, meint er jetzt. Sie sei „ein offener Prozeß, und das ist nach vierzig Jahren DDR doch sympathisch“. Auch Walter Kaufmann vom Osteuropateam bekennt, zu Beginn seine Schwierigkeiten gehabt zu haben: „Für mich war das ein Modewort, sogar eine Verundeutlichung.“ Doch jetzt komme er zunehmend besser damit zurecht – zumindest intern. „Das ist mehr ein Arbeitsbegriff als ein Exportschlager.“ In Rußland, wo niemand mit dem Wort etwas anfangen könne, spreche er lieber vom „Stiftungsschwerpunkt Frauenpolitik“.

Und Norbert Brömme, Sprecher der StiftungsstipendiatInnen, ließ sich durch das Programm Geschlechterdemokratie gar zur Gründung einer „Arbeitsgruppe Männer“ anregen. Ihm gehe es, so schreibt er in einem Aufsatz, um die „bewußtseinsmäßige Entkoppelung von Männergesellschaft und Männlichkeit“, um „die politische Dimension des Mannseins“. Denn „das Thema Geschlechterdemokratie ist für uns Männer zu wichtig, um es den Frauen zu überlassen“.