„Wir machen doch nicht nur Seifenoper“

■ DAG-Chef Roland Issen will wissen, was in der SPD zählt: Schröders oder Stollmanns Wort?

taz: Herr Issen, welche drei Eigenschaften fallen Ihnen zu Jost Stollmann ein?

Roland Issen: Effekthascherei, teilweise originalitätshaschend, nicht im politischen Geschäft und deswegen auch fehlermachend.

Als Wirtschaftsminister ist er für Sie indiskutabel?

Das nicht. Aber Gerhard Schröder hat definitiv klargelegt, daß die SPD unmittelbar nach der Wahl ein neues Bündnis für Arbeit anstrebt. Außerdem will die SPD einige Entscheidungen der Regierung Kohl rückgängig machen, etwa die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder den verminderten Kündigungsschutz. Dazu hat sich Stollmann negativ geäußert. Und das gibt Anlaß zu der Vermutung, daß er die Ziele der SPD nicht kennt. So entstehen Irritationen, und die SPD muß aufpassen, daß sie nicht einen Teil ihrer traditionellen Wähler verunsichert. Die Folge könnte sein, daß Leute am Wahlsonntag zu Hause bleiben.

Auch Walter Riester, zweiter IG-Metall-Vorsitzender und Arbeitsminister in spe, stärkt Stollmann den Rücken. Geben Schröder und Riester damit ein Wählerpotential der SPD auf?

Bewußt tun sie das nicht. Das wäre arg dumm. Man riskiert aber, daß eine zunehmende Verunsicherung auftritt. Deshalb plädiere ich dafür, daß die SPD den Gewerkschaftsrat einberuft, um im Beisein von Oskar Lafontaine, Gerhard Schröder und Herrn Stollmann in einen Dialog einzutreten. Es muß klargestellt werden, was gilt: Äußerungen, die der Kanzlerkandidat gemacht hat, oder Äußerungen, die Stollmann als Wirtschaftsminister in spe macht?

Befürchten Sie, daß der Einfluß der Gewerkschaften unter einer Schröder-Regierung schwindet?

Das glaube ich nicht. Auch ein Kabinett Schröder ist am Ende darauf angewiesen, daß die SPD- Basis ein solches Kabinett trägt und unterstützt. Ich sage aber: Im Augenblick gibt es Irritationen, und die stärken nicht die Position der SPD und ihres Kanzlerkandidaten. Denn was man mit Spekulationen auf andere Wählerschichten mit Herrn Stollmann versucht, wird man möglicherweise auf der anderen Seite wieder einbüßen.

Wenn Jost Stollmann so weitermacht, werden Sie als Mitglied der Partei die SPD noch wählen?

Ich glaube, daß Personen für Zielsetzungen stehen müssen. Es ist jetzt die Frage, inwieweit Stollmann in das Programm der SPD eingebunden werden kann. Ich werde die Partei wählen, aber ich sage auch, ich tue das im Vertrauen darauf, daß am Ende das gilt, was die Partei in ihr Wahlprogramm geschrieben hat. Ich erwarte, daß sich dieses im Regierungsprogramm wiederfinden wird. Die Wähler wollen Orientierung. Und diejenigen, die man mit Verantwortung ausstatten will, brauchen diese Glaubwürdigkeit. Wir machen doch nicht nur Seifenoper. Interview: Annette Rogalla