Arbeit gespart, Natur verschwendet

■ Statistisches Bundesamt stellt „Umweltökonomische Gesamtrechnung“ vor. Technischer Fortschritt hat die Produktivität der Arbeitskraft verdreifacht, die Effizienz der Ressourcennutzung erhöhte sich aber nur um ein Drittel

Frankfurt/M. (taz/dpa/AP) – Nach wie vor werden die natürlichen Ressourcen ohne Rücksicht auf Umwelt und Produktivität ausgebeutet. Dabei, so das Statistische Bundesamt gestern, könnten Bodenschätze, Wasser, Grund und Boden weitaus effektiver genutzt werden, als es derzeit geschieht. Außerdem stellte das Institut fest, daß die staatlichen Einnahmen aus „umweltbezogenen Steuern“ in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen seien und mit rund 82 Milliarden Mark zehn Prozent des gesamten Steueraufkommens des Staatshaushalts ausmachten.

Zum ersten Mal haben Statistiker die „Produktivität“ der Natur als Verhältnis zwischen wirtschaftlicher Leistung und eingesetzten natürlichen Ressourcen errechnet. Zwischen der wirtschaftlichen Leistung, ausgedrückt im Bruttosozialprodukt, und der Ausbeutung der Natur als Quelle für Ressourcen habe eine „Entkoppelung“ stattgefunden, sagte der Präsident des Wiesbadener Bundesamtes, Johann Hahlen, gestern bei der Vorstellung der dritten „Umweltökonomischen Gesamtrechnung“ in Frankfurt am Main.

Während man in der Vergangenheit die Arbeit rationalisiert habe und dank des technischen Fortschritts zwischen 1960 und 1995 eine Verdreifachung der Arbeitsproduktivität erreichte, wuchs die Effizenz bei der Nutzung von Energie nur um 31 Prozent, bei Wasser waren es 36 und bei Rohstoffen 49 Prozent, stellten die Statistiker fest. Immer weniger Menschen produzierten immer mehr Waren und Dienstleistungen. Im Zuge der Rationalisierung, so Hahlen, sei der Einsatz von Maschinen kräftig angestiegen, während der Anteil menschlicher Arbeitskraft am Produktivvermögen nahezu unverändert blieb.

Zwar werde gleichzeitig auch die Natur als Ressourcengeber und als Auffangbecken für Rest- und Schadstoffe durch neue Techniken immer effektiver genutzt. So wird pro Einheit Bruttoinlandsprodukt nur noch ein Drittel soviel Treibhausgase freigesetzt wie 35 Jahre zuvor. Für die Statistiker heißt das: Die Produktivität der Natur hat sich in Hinsicht auf Treibhausgase um 200 Prozent gesteigert. Insgesamt aber gingen Schadstoffausstoß und Abfallvolumen nur sehr langsam zurück. Den meisten Abfall und Schutt laden die Bauwirtschaft und der Kohlebergbau ab.

Als weiteren Aspekt für die Darstellung der Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Natur untersuchten die Wiesbadener den Anteil von umweltbezogenen Steuern. Sie richteten sich dabei nach der Besteuerungsgrundlage, unabhängig von der Motivation ihrer Einführung. Generell machten diese Art Steuern schon jetzt zehn Prozent der Gesamteinnahmen der öffentlichen Haushalte aus, Tendenz steigend. Haupteinnahmequellen seien Kraftfahrzeug- und Mineralölsteuer. Sie erhöhten sich in den 90er Jahren von 8,8 auf 10 Prozent des gesamten Steueraufkommens. Zu den rund 82 Milliarden Mark, die 1996 aus der Besteuerung von Emissionen, Energieerzeugnissen, Verkehr oder Pflanzenschutzmitteln erhoben wurden, ermittelten die Statistiker mindestens 24 Milliarden Mark an umweltbezogenen Gebühren oder Sonderabgaben.

Die Bedeutung der privaten Haushalte für die Umweltbelastung stellt das Statistikamt am Beispiel der Treibhausgase wie Kohlendioxid oder Methan dar. Den Löwenanteil von rund 227 Millionen Tonnen machen dort Heizung und Autoverkehr aus. Der Verbrauch von Konsumgütern summiert sich noch einmal auf 560 Millionen Tonnen. Das sind rund 60 Prozent der Gesamtbelastung mit Treibhausgasen. 320.000 Tonnen, so Hahlen, werden emittiert, wenn 50 Prozent der Fernsehgeräte zum Beispiel während der Fußballweltmeisterschaft zum Endspiel 90 Minuten laufen. Heide Platen