■ 25 Jahre Brokdorf-Widerstand und ein neuer Atomskandal
: Die Alarmisten haben recht behalten

Nach dem Transportskandal liegt nun eine weitere Schweinerei der Atomindustrie auf dem Tisch: Wie erst jetzt bekannt wurde, vertuschte die hessische Brennelementfabrik Nukem 1987 einen schweren Zwischenfall. 300 Arbeiter wurden im Dienst für die Atomkraft verstrahlt, die Kontrollbehörden wurden mit gefälschten Berichten getäuscht oder drückten wieder einmal beide Augen zu. Lügner und Betrüger sind offensichtlich die Regel in einer Industrie, die sich in ihrer Propaganda zu den sichersten und saubersten der Welt zählt – und die mit Unterstützung einer atomfreundlichen Bundesregierung mit ihrem menschengefährdendem Geschäft auch noch jährlich Milliardengewinne erzielt.

Das einzig Erfreuliche bleibt, daß sich eine derart mächtige Branche selbst in einem obrigkeitsgläubigen Kungelstaat wie der Bundesrepublik nicht so einfach hat durchsetzen können. Von den hochfliegenden Atomplänen der 60er Jahre ist ein hartnäckiges Schachern um die letzen AKWs geblieben. Das kann sich die Anti-Atom-Bewegung als ihren Erfolg auf die Fahnen schreiben. Seit vor 25 Jahren am Bauzaun von Brokdorf die großen Schlachten zwischen Demonstranten und Polizei ausgefochten wurden, hat sich vieles getan. Wer nun glaubt, Militanz lohnt sich also doch, überschätzt den Beitrag der militanten Atomgegner. Mit linker Gewalt wird unser Staat, das lehrt die Erfahrung, recht gut fertig. In die Enge getrieben wurden die Kernkraftfetischisten durch das Geflecht von wütenden Eltern und Anwohnern, der Zähigkeit von unabhängigen Wissenschaftlern und gebildeten Laien. Selbst die in letzter Zeit vielgescholtenen Grünen stehen beim Skandalunternehmen Nukem nicht schlecht da. Unter SPD-Börner und CDU-Wallmann konnten die Hanauer und ihre Tochterunternehmen in Hessen ungestört arbeiten. Erst ein gewisser Joschka Fischer legte die Atomfabrik still.

Doch für Jubel ist es noch zu früh. Denn die Anti- Atom-Bewegung hat sich gewandelt und kann nur noch zu den Castor-Tansporten eine größere Zahl von Menschen mobilisieren. Die früher stets demonstrationsbereiten StudentInnen haben sich im besseren Fall anderen Themen zugewandt oder sich ganz ins Private zurückgezogen. Und was die Grünen mit einem etwaigen Reaktorministerium in Bonn nach einer vielleicht gewonnenen Bundestagswahl anstellen, muß sich erst noch zeigen. Die Atomindustrie kann warten und hat große Bataillone auch innerhalb der SPD. Der Druck der Straße bleibt weiterhin nötig. Reiner Metzger