■ Nebensachen aus Johannesburg
: Afrika ist überall

Manche Europäer sind insgeheim ein wenig enttäuscht, wenn sie nach Südafrika kommen, finden sie doch vor allem die großen Städte „irgendwie“ sehr unafrikanisch. Da die meisten heutzutage aus Angst um Leib und Leben einen großen Bogen um die City von Johannesburg machen, ist das nicht weiter verwunderlich. Wer nur die lilienweißen „Northern Suburbs“ mit ihren riesigen Villen und jedem erdenklichen europäischen Komfort sieht, kann rasch vergessen, auf welchem Kontinent er sich befindet.

Doch der Schein trügt. Afrika ist überall. Selbst vor der eigenen Haustür macht es nicht halt. Manchmal ist es über Nacht plötzlich da und hat an strategisch wichtigen Stellen Kolonien angelegt, die geradezu gespenstisch schnell wachsen. Durch den Holzrahmen der hinteren Eingangstür ziehen sich plötzlich tiefe, geschlungene Kanäle, in denen geschäftiges Treiben herrscht. Der Kellereingang lebt ebenfalls. Auch mein ungeschulter eurozentristischer Blick erkennt sofort: Termiten. Ameisenähnliche Tiere mit blassem Körper. Nur größer.

Der morgendliche Kontrollgang ums Haus zerstört alle Hoffnung, daß sie sich hier doch nicht wohl fühlen könnten. Täglich sind es Tausende mehr, die eigenartigen Haufen wachsen so rasch, daß man zusehen kann. Faszinierend findet mein Lebensgefährte dieses Wunder der Natur mitten in der Großstadt. Meine Faszination hält sich in Grenzen. Hört man sie nicht schon kauen? Sind die Bücher im Haus nicht schon angenagt? Und tragen die Holzdielen noch? Kein Zweifel, es herrscht Handlungsbedarf.

Termiten, so heißt es im Lexikon, sind wärmeliebende und lichtscheue Holzfresser, die in hochgradig organisierten Staaten lebend. Sie fressen nicht nur Holz und Papier, sondern legen aufwendige Pilzkulturen an, mit der sie ihre Nachkommenschaft aufziehen. Zumindest das Pilzbeet unter der Küchentreppe ist damit erklärt. In freier Wildbahn mögen sie ja nützlich sein, weil sie den Boden düngen. Und sind nicht die riesigen Hügel, die sie anlegen, ein Sinnbild für die Tropen? Aber mitten in Stadt, in meinem Haus? Entschieden zuviel Afrika.

Guter Rat ist indessen teuer. Eine Bekannte empfiehlt eine spezielle „Ameisenkreide“, die man in indischen Geschäften erhält. Sie soll aus China kommen, Zusammensetzung unbekannt. Das ist auch besser so. Der Test mit Ameisen funktioniert einwandfrei. Rund um Stuhl- und Tischbeine kreisförmig aufgetragen, wirkt der Kreidestrich giftige Wunder. Termiten sind davon ebenso unbeeindruckt wie von afrikanischem Muti, dessen süßliche Dämpfe durchs Haus ziehen. Das Naturschauspiel wächst und gedeiht prächtig.

Bleibt nur noch der Kammerjäger. Interessiert beobachtet der stämmige junge Mann die wimmelnden Haufen und glänzt derweil mit seinem Wissen über rund 1.600 Termitenarten. Dies ist eine besonders hochentwickelte. Sie legt Kolonien unter dem Haus an und breitet sich von dort aus. Beruhigend. Dumme Termiten wären ja wohl eine Zumutung.

Es bleibt nur ein Ausweg. Gift. Vollkommen harmlos für den Menschen, versichert der Experte, aber sehr wirksam. Das kann man wohl erwarten bei einem Preis von fast 800 Mark. Was es ist, sagt er nicht. Ich frage nicht weiter. Wer möchte schon in Afrika europäische Umweltmaßstäbe anlegen. DDT beispielsweise ist hier nicht verboten.

Einige Tage später schneiden zwei Arbeiter Löcher in die Holzfußböden und überschwemmen das Fundament mit einem giftigen See. Das Haus muß für etliche Tage evakuiert werden, weil der Gestank Augen und Schleimhäute reizt und beständige Übelkeit hervorruft. Die Termiten jedoch verschwinden schlagartig. Afrika ist besiegt. Mit einer zehnjährigen Garantie. Kordula Doerfler