Gongs an der Schmerzgrenze

■ Das Trio Coxhill-Turner-Hirt improvisierte geräuschvoll

Ein prominent besetztes Trio war am Dienstag abend in der Improvisationen-Reihe der MusikerInnen Initiative Bremen (MIB) zu Gast.

Der britische Sopransaxophonist Lol Coxhill gehört seit den 70ern zu den bekannteren Improvisatoren der Insel. Er spielte mit u.a. mit Derek Bailey, Chris McGregor und dem SME, unternahm aber auch Ausflüge ins Rockgenre z.B. mit Kevin Ayers. Mit dem Schlagzeuger Roger Turner arbeitete er bereits im elektro-akustischen Improvisationstrio The Recedents zusammen. Dritter im Bunde war am Dienstag der Münsteraner Gitarrist Erhard Hirt, bekannt für seine fröhlichen Soundtüfteleien und den extensiven Einsatz von Klangwandlern.

Der Improvisationsansatz der drei Gäste entsprach ganz der in der MIB-Reihe gepflegten Herangehensweise, die stark sound- bzw. klangorientiert ist. Auch Coxhill und Co vermieden weitgehend das Spiel mit harmonischen oder rhythmischen Strukturen. In ihren Improvisationen schichteten sie eher geräuschige Soundflächen über-, neben- oder ineinander. Coxhill blies auf seinem Saxophon vorwiegend lange Folgen von gequetschten, überblasenen Tönen, die sich manchmal in dissonantes Gezwitscher steigerten.

Nur gelegentlich integrierte er kürzere melodische Fragmente in sein Spiel. Turner bearbeitet sein Schlagzeug gern mit dünnen Metallstäben, erweitert sein Spiel mit allerlei Gerätschschaften von der Blechdose bis zur Eisenkette und quälte seine Becken und in Folge davon auch manches Ohr der ZuhörerInnen mit einer Gabel, die er schmerzhaft übers Metall quietschen ließ. Ähnliche Effekte erzielte er durch das Aneinanderreiben von Gongs. Ab und an polterte er kräftig los und ließ akustisch eine mächtig ächzende Dampflok durch den Raum brausen.

Während dessen bearbeitete Hirt seine Gitarre mittels diverser Elektronikeffekte. Die so erzeugten Klänge bzw. Geräusche bewegten sich zwischen spacigem Compu-tergezwitscher, den diffusen Klangstürzen, die die schnelle Sendersuche bei alten Radios oft an sich hatte und dem Klang einer elektronischen Maultrommel. Zusammengenommen hatte das etwas von der Arbeit in einem musikalischen Steinbruch oder auf dem Schrottplatz.

Trotz feiner Geräuschschichtungen und skurriler Klangeffekte bleibt die grundsätzliche Frage bei einem derartigen Improvisationsansatz, wie frei eine Improvisation sein kann, die sich nicht auch vom Zwang der Vermeidung, Negierung musikalischer Strukturen befreit. Auch spontane musikalische Äußerungen vollziehen sich nicht vorausetzungslos, und auch Strukturen können spontan entstehen. Ansätze die sich deutlicher dieser Widersprüchlichkeit von Spontaneität stellen, sie bearbeiten und den spielerischen Umgang mit ihr pflegen, scheinen mir auf Dauer vielversprechender. Arnaud