Streit ums grüne Wahlprogramm
: Bleiben bei den Grünen fünf Mark fünf Mark?

■ Die Partei arbeitet an einem Kurzfassung ihres Wahlprogramms, mit der sie ihren Kurs ändern will, ohne ihn zu ändern

Wie kassiert man fünf Mark, ohne die fünf Mark zu kassieren? Was wie ein Widerspruch in sich klingt, ist die zur Zeit bei den Grünen vorherrschende Fragestellung. Sie lautet in ihrer Langfassung etwa so: Wie schaffen wir es, die Forderung nach fünf Mark für einen Liter Benzin so völlig neu zu formulieren, daß zwar dem Parteiprogramm noch Genüge getan wird, zugleich aber der fatale öffentliche Eindruck, den sie hervorgerufen hat, umgekehrt wird?

Die Antwort soll in einem Kurzprogramm stehen, das am 7.Juni von einem Sonderländerrat verabschiedet wird. Bislang befindet sie sich noch im Laptop des Vorstandsprechers Jürgen Trittin, in der kommenden Woche wollen sie die beiden Sprecherpaare von Partei und Fraktion (Trittin und Röstel sowie Fischer und Müller) beraten. Danach wird der Bundesvorstand einen Antrag formulieren. Doch noch herrscht keine Einigkeit, wie weit die Revision der bisherigen Linie geht. „Der Vorstand hat sich gegen kurzfristige Korrekturen des Programms ausgesprochen“, so erklärte noch Mitte der Woche der Pressesprecher, während gleichzeitig die SZ einen Artikel über die Fraktionssitzung titelte: „Grüne kassieren ihren Benzinpreis-Beschluß“.

Fest steht, daß die Zahl fünf nicht mehr auftauchen wird, denn es soll sich um ein Vierjahres- programm handeln. Sie durch Fünfzig- oder Dreißigpfennig- beträge zu ersetzen, wie es der Logik des Beschlusses entspräche, dagegen sprechen sich eine ganze Reihe Grüner aus, vor allem Realos. Aber auch das eher den Linken zugerechnete Vorstandsmitglied Klaus-Dieter Feige geht bei der Neuformulierung davon aus, „daß die Gewichtung rauskommt, Zahlen interessieren nicht“. Womit Feige wohl nicht die Meinung des gesamten Vorstandes wiedergibt.

Weniger bedeutsam, aber nicht weniger umstritten ist die Position zum Bosnieneinsatz. Folgt sie dem Programm, muß die Bundestagsfraktion mit Nein stimmen, wenn Mitte Juni der Bundestag über die Verlängerung des SFOR-Mandates abstimmt. Fraktionschef Joschka Fischer hat bereits verkündet, daß er das Gegenteil tun werde und hoffe, daß seine Fraktion sich dem anschließe. Er kann sich dabei auf das Votum einiger Landesverbände stützen. Rezzo Schlauch will gar, daß der Länderrat einen eindeutigen Beschluß faßt. Damit solle nicht nur ein unsinniger Beschluß korrigiert werden, sondern auch der Öffentlichkeit ein klares Signal der Einsicht gegeben werden. Um das zu unterstreichen, soll der Länderrat den Charakter eines kleinen Parteitages bekommen. Das geht wiederum jenen zu weit, die den Parteitagsbeschluß nicht angetastet wissen wollen.

Allerdings hat sich schon einmal ein Länderrat über die bestehende Beschlußlage hinweggesetzt. Damals wurden Blauhelm- einsätze befürwortet. Die Korrektur wurde auf dem darauffolgenden Parteitag bestätigt. Diesmal will es die Parteiführung wohl dabei belassen, die Fraktion nicht zu rügen, wenn diese sich im Bundestag auf ihre Gewissensfreiheit beruft.

Die Auseinandersetzung um das Kurzprogramm wird noch dadurch erschwert, daß sie eigentlich nicht geführt werden kann. Alle Beteiligten bekunden den festen Willen, daß von dem kleinen Parteitag ein Signal der Geschlossenheit ausgehen soll.

Dieser Wille zur Einmütigkeit läßt sich auch dadurch nicht erschüttern, daß die Berliner Zeitung berichtet, daß Fischer bereits mit Schröder über eine Kabinettsliste redet und ein Superministerium aus Bildung, Forschung, Technologie und Teilen des Wirtschaftsressort anstrebe. Was noch vor Wochen die linken Gemüter erhitzt hätte, wird jetzt von der Parteispitze kühl als „purer Quatsch“ qualifiziert. Daß Fischer für sich ein Superministerium und für Rupert von Plottnitz auch noch das Justizministerium anstrebt – das ist für die Grünen ein Beleg für die Unseriösität der Meldung. Wären zwei Ressorts zu vergeben, so heißt es, würde kein Grüner zwei Männer dafür vorsehen, die zudem noch beide Realpolitiker sind und aus dem gleichen Frankfurter Stadtklüngel kommen. Dr