„Kein Einfallstor bieten“

■ Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer zu den Versuchen von Rechtsextremen, den 1. Mai inhaltlich zu besetzen

taz: Rechtsextremisten agitieren gezielt Arbeitslose und verknüpfen nationale Parolen mit sozialpolitischen Themen. Ein Alarmsignal für die Gewerkschaften?

Engelen-Kefer: Natürlich. Es geht jetzt nicht nur darum, daß wir eine andere Politik brauchen, um die Massen- und Langzeitarbeitslosigkeit zu reduzieren und soziale Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Es geht darum, unsere Demokratie zu erhalten. Viele Arbeitnehmer merken doch, daß immer weniger in ihrem Portemonnaie übrigbleibt, während gleichzeitig die Vermögenssteuer für Private abgeschafft wird und große Konzerne immer höhere Gewinne haben, weiter Personal abbauen und kaum Steuern zahlen. Sie sehen, was auf den Baustellen passiert. Berlin ist die größte Baustelle Europas. Während die Zahl der Illegalen dort auf 30.000 geschätzt wird, sind 27.000 deutsche Bauarbeiter arbeitslos gemeldet. Über Schlepperbanden oder legal über Werkverträge oder Leiharbeit werden Menschen aus Mittel- und Osteuropa hereingeholt. Die arbeiten dann hier zu Hungerlöhnen, und unsere Bauarbeiter sind arbeitslos. Solche eklatanten Ungerechtigkeiten sind der Nährboden für extreme und radikale politische Strömungen.

Wie können Sie denn die Gewerkschaftsbasis unempfänglich machen für Parolen wie „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“?

Was meinen Sie, was unsere Gewerkschaft BAU (Bauen, Agrar, Umwelt) alle Hände zu tun hat, um zu verhindern, daß an den Baustellen die Fremdenhatz losgeht...

Was tun die denn?

Sie betreiben ständige Aufklärungsarbeit und versuchen, über die Bundesregierung wirksamere Maßnahmen gegen illegale Beschäftigung zu erreichen. Wir erstellen derzeit ein Schwarzbuch, in dem wir alle Fälle solchen unfairen Wettbewerbs aufzeigen. Wir müssen das pausenlos in die Öffentlichkeit tragen.

Wenn Sie jetzt eine Kampagne gegen illegale Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern starten, liefern Sie nicht Rechtsextremisten Ansatzpunkte für rassistische Propaganda frei Haus?

Wir können doch nicht vor diesen Problemen den Kopf in den Sand stecken. Das wäre völlig verkehrt, denn die Situation ist bekannt, die Menschen spüren sie genau. Dies ist ein Einfallstor für die Rechtsradikalen und dagegen kann man nur offensiv angehen.

Bis zum 1. Mai ist es nicht mehr allzu weit. In Leipzig will die NPD zentral zum „Tag des nationalen Widerstands“ aufmarschieren. Erwartet werden zwischen 5.000 und 10.000 Menschen. Ist da der DGB nicht bundesweit gefordert?

Im letzten Jahr hat der DGB entsprechend reagiert und seine eigenen regionalen Veranstaltungen in Sachsen zu einer zentralen Veranstaltung in Leipzig zusammengezogen. Wir werden in diesem Jahr auch in geeigneter Form reagieren, schließlich wollen wir den 1. Mai zum Schwerpunkt unserer Kampagne für eine drastische Änderung der Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik machen, damit letztlich die Grundlagen für rechtsradikale Tendenzen beseitigt werden. Interview: Bernd Siegler