Ein Bürgerlicher mit sozialistischen Grundsätzen

■ Wolfgang Methling, Direktkandidat der PDS für den Bundestag, gilt als der „Gysi von Rostock“

So ein Platz neben Gregor Gysi hat seine Vorteile. Ständig ist man im Fernsehen und oft auf Zeitungsbildern. Man darf sich getrost zur Parteiprominenz zählen. Wolfgang Methling fühlt sich gut plaziert beim PDS-Bundesparteitag in der Rostocker Stadthalle und, das sowieso, gut behandelt von seiner Partei. Die hat alle Geschütze aufgefahren, um ihren Rostocker Direktkandidaten für den Bundestag zu puschen. Wegen ihm wurde der Parteitag zum zweiten Mal in Mecklenburg-Vorpommern abgehalten, für ihn wurden 150.000 Mark Sonder-Wahlkampfhilfe lockergemacht, und für ihn wurde am Samstag eine „Jesus-Nummer“ inszeniert: ein Frühstück für alle, und das mitten in der Stadt.

In der Berliner Parteizentrale weiß man längst, wie wichtig Methling für das Überleben der Partei ist. Drei Direktmandate muß die PDS mindestens holen, um wieder in der Bundestag einziehen zu können. Da bislang nur sicher ist, daß Gysi in Berlin Marzahn/Hellersdorf siegen wird, muß Methling den Rostocker Wahlkreis 265 gewinnen; die Aussichten sind im größten städtischen Wahlkreis Mecklenburg-Vorpommerns nicht schlecht.

1994 unterlag Methling mit nur 713 Stimmen der SPD-Kandidatin, gerade mal 0,6 Prozent. Bei der Oberbürgermeisterwahl 1995 mußte er sich erst im dritten Wahlgang geschlagen geben, mit acht Stimmen. „Der Mann“, sagen Parteifreunde, „ist der Gysi von Rostock.“ Auch Wolfgang Methling ist gelernter Rinderzüchter – und der Vergleich mit dem Bundestagsgruppenchef gefällt ihm.

Jetzt steht er da im Regen – die „Jesus-Nummer“ mit Brötchenvermehrung, Kaffee und Musik ist im Gange – und gibt längst mehr Interviews als Gysi und Bisky zusammen. Er packt Wörter wie „Gewinner der Wende“ und „ewiger politischer Verlierer“ in einen Satz, und es ist nicht ganz klar, wie man sein Lächeln dazu deuten soll.

Tatsächlich ist Methling ein Gewinner der Wende. Nach 1989 wurde er Professor für Tiergesundheitslehre an der Universität Rostock. Er ist Beamter auf Lebenszeit und hat ein Häuschen im einem Rostocker Vorort. Er hat also eine „gesicherte Existenz“, wie er selbst sagt. Und fügt hinzu: „Es gibt wenige in der PDS, die in einer solchen Situation sind.“

Die Märtyrer-Nummer vom benachteiligten Ostdeutschen ist mit Wolfgang Methling nicht zu machen, in der PDS-Zentrale spricht man schon von der Gelegenheit, „neue Schichten zu erobern“. PDS-Sprecher Hanno Harnisch nennt Methling gar einen „Bürgerlichen“. Der hört das aber nicht so gerne. Wie soll das auch zusammenpassen: Bürgerlicher und sozialistische Grundsätze? Die nämlich hat Methling sich bewahrt, schließlich war er, wie er selbst sagt, ein 150prozentiger Genosse und auch mal ehrenamtlicher Parteisekretär.

Methlings Sozialismusbild sieht heute so aus: „Ich möchte eine sozial gerechtere, menschlich wärmere, kulturvolle Gesellschaft.“ Kulturvoll heißt für ihn „Kultur im Umgang mit den Menschen“. Methling will das festmachen an einem Beispiel. Hart, aber fair will er mit seinem Konkurrenten um das Rostocker Direktmandat umgehen. Der eine ist Ex-Skandalminister Günter Krause (CDU), wie Methling äußerst beliebt in Rostock. Die andere ist Christine Lucyga (SPD), in der Stadt geachtet als fleißige Politikerin. Beide sind schlagbar, wie Methling sagt. Rostock gehört wie insgesamt Mecklenburg-Vorpommern zur PDS- Hochburg und als zweites Standbein neben dem roten Ostteil Berlins. Wahlkampfleiter André Brie ist sich sicher, hier 26 bis 28 Prozent der Stimmen zu gewinnen.

Die „Jesus-Nummer“ ist vorbei, und es hat aufgehört zu regnen. Wolfgang Methling harrt aus. Er will noch kurz reden von den Problemen in der Stadt, von den Obdachlosen beispielsweise. 280 habe es 1995 gegeben, jetzt seien es schon über 1.000. „Es ist schlimm, daß so etwas in unserer Gesellschaft vorkommt.“ Dann geht er wieder hinüber in die Stadthalle zum Parteitag und nimmt Platz in der ersten Reihe. Jens Rübsam, Rostock