500.000 Arbeitsplätze für Helmut Kohl

■ Wahlkampfhilfe der Industrie für den Bundeskanzler: Arbeitgeberpräsident Hundt verspricht ein Wirtschaftswachstum von drei Prozent. Noch vor kurzem waren die Prognosen weit weniger optimistisch gewesen

München/Berlin (AP/taz) – Keine drei Monate ist es her, daß Bundeskanzler Helmut Kohl eingestehen mußte, eine Halbierung der Arbeitslosenzahlen sei nicht zu schaffen – da läßt er sich zur nächsten gewagten Prognose hinreißen. Bei einem Spitzentreffen mit der deutschen Wirtschaft stimmte Kohl Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt zu, der behauptet hatte, daß in den nächsten Monaten 500.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. „Ich bin absolut der Meinung, daß die Talsohle in den alten Ländern durchschritten ist“, sagte der Kanzler.

Zuvor hatten die Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft offene Wahlhilfe für die jetzige Bundesregierung geleistet. In einer Erklärung zum gestrigen traditionellen Treffen mit Kohl am Rande der Handwerksmesse in München wird festgestellt: „Die deutsche Wirtschaft hält die Fortsetzung des von der Regierungskoalition eingeschlagenen Reformkurses für richtig und notwendig.“ Zur SPD hingegen heißt es: „Eine Politik, die das Erreichte rückgängig machen will, würde strukturelle Probleme verschärfen, Investitionen verhindern und Arbeitsplätze vernichten.“ Die Erklärung ist von Hans-Olaf Henkel (Bundesverband der deutschen Industrie), Hans-Peter Stihl (Deutscher Industrie- und Handelstag), Dieter Philipp (Zentralverband des deutschen Handwerks) und Dieter Hundt unterzeichnet.

Noch im Januar hatte BDI-Chef Henkel andere Töne angeschlagen. Damals hatte er der Wirtschaftspolitik des SPD- Kanzlerkandidaten Schröder die gleiche Qualität bescheinigt wie der der Bundesregierung. Auch an der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung war massive Kritik geübt worden.

Hundt verband die Prognose von 500.000 Arbeitsplätzen mit der Erwartung, daß die Wirtschaft um drei Prozent anwachsen werde. Die Sprecherin des DGB, Sabine Nehls, erklärte daraufhin gestern: „Wenn die Arbeitgeber alle Arbeitsplätze tatsächlich geschaffen hätten, die sie in den letzten Jahren versprochen haben, dann hätte die Arbeitslosigkeit schon längst halbiert werden können.“

Auch Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt sprach gestern von einer Trendwende auf dem Arbeitsmarkt. Er erwartet allerdings Ende 1998 lediglich 100.000 Arbeitslose weniger als Ende 1997. Nach einem Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung soll die Bundesregierung ihre Arbeitsmarktprognose im Jahreswirtschaftsbericht geschönt haben. Danach soll es Ende des Jahres 200.000 Arbeitslose weniger geben, bislang lautete die Aussage, daß die Arbeitslosenzahl „mit rund 4,4 Millionen in etwa so hoch sein könnte wie im Durchschnitt des Vorjahres“. Entsprechend zurückhaltend hatte sich dieser Tage auch DIHT- Chef Stihl geäußert. Solange die Steuerreform nicht komme, so Stihl, werden relativ wenig Arbeitsplätze entstehen. Stihls Zurückhaltung deckt sich mit den Ergebnissen der traditionellen Frühjahrsbefragung seines Verbandes.

Danach wird das Wirtschaftswachstum vor allem durch den Export getragen, nur weniger als ein Siebtel der befragten Unternehmen plane demnach eine Ausweitung ihrer Beschäftigtenzahl.

Der DIHT befürchtet, daß sich die Asienkrise 1998 weiter negativ auf die Wirtschaftsentwicklung auswirken wird. Während der IWF im Dezember von einem Wachstum von 2,8 Prozent ausgegangen war, wird aufgrund der Entwicklung in Asien nun ein Abschlag von 0,2 Prozent einkalkuliert. Der SPD-Wirtschaftspolitiker Ernst Schwanhold geht davon aus, daß ein Wachstum von über drei Prozent „nicht realistisch“ sei. Auch wenn 2,5 Prozent erreicht werden sollten, hätte dies nur marginale Beschäftigungseffekte. dr