■ Sie hat die taz mitgegründet und sich auf diversen Redaktionsstühlen Respekt verschafft. Nach einem Jahr im Selbstversuch ist sie sich sicher: taz-Frauenredakteurin? Das ist das Letzte! Eine Abrechnung Von Ute Scheub
: Warum wir so gehaßt werden

Wir nennen sie Frauenbeauftragte, Frauenministerin, Frauenredakteurin. Die Frauenbewegung hat sie hervorgebracht:

die Weiblichkeits-

funktionärinnen. Sie sollen für Chancen-

gleichheit unter den Geschlechtern sorgen und werden oft zu Hüterinnen ihres hart erkämpften Reservats degradiert. Nur:

Wie rauskommen

aus dem Dilemma?

Eine Weiblichkeitsfunktionärin war ich. Und weil das ein Scheißjob ist, habe ich damit aufgehört. Ob wir nun Frauenredakteurinnen, Gleichstellungsbeauftragte oder Frauenbeauftragte heißen: Wir sind diejenigen, die mit unseren Forderungen nach mehr Frauenpräsenz überall und allen auf die Nerven gehen. Wir brauchen den Mund überhaupt nicht mehr aufzumachen, weil alle schon wissen, was wir zu beklagen haben: Seht her, hier kommen die professionellen Opfer des Patriarchats.

Wir sind nicht nur einfach Frauen, wir sind Fraufrauen. Haben sowieso nichts Neues zu sagen und leisten jeden Tag bedeutungslose Arbeit. Anderseits: Wenn wir derart nichtige Existenzen sind, warum löst dann unser Erscheinen solch massive Emotionen aus? Auch und gerade bei bei unseren Kolleginnen?

Wir sind die Spaßverderberinnen vom Dienst: Wir halten Pornographie für Schweinkram, Erotik für sexuelle Belästigung, Sex für Nahkampf mit dem Feind. Frauenbewegte sind die Oberzensiererinnen vom Dienst, würden am liebsten überall schwarze Balken malen. Überhaupt ist der Feminismus eine einzige Verbotswissenschaft. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, daß auch taz-Frauen uns Feministinnen für frustrierte Weiber halten, die nur mal ordentlich durchgevögelt werden müssen.

Woher rührt dieser unausrottbare Mythos von den verbietenden Frauen? Psychoanalytisch betrachtet drängt sich eine Antwort auf: von den strafenden Müttern. Mutti hat schon Doktorspiele verboten, Mutti will sich immer noch einmischen, auch wenn die Kinder längst erwachsen sind. Weg mit Mutti, weg mit all diesem moralklebrigen Emanzenkram!

Wie alle antiautoritären Impulse, so wäre auch dieser eigentlich sehr sympathisch, wenn er sich nicht gegen ein Wahnbild richten würde. Das ist die Volte der Revolte: Mit ihren Vätern und Väterinstanzen – dem Staat, den Institutionen – haben sich die brav gewordenen Ex-68er und ihre Kinder längst ausgesöhnt. Gegen die Mütter aber läßt sich's prächtig weiter schimpfen. Rebellion im Westentaschenformat.

Die ganze Wahrheit ist das zugegebenermaßen noch nicht. In Universitäten, Redaktionsbüros und der Politik, überall tönt die gleiche Klage: Männer haben ein leichtes Spiel mit uns. Sie setzen sich nur deshalb in breiter Front durch, weil wir Frauen uns ständig in Lagerkämpfen verschleißen und uns in den Haaren liegen, statt gemeinsam zu streiten.

Denn seit Beginn der Frauenbewegung gibt es auch den erbitterten Kampf zwischen Frauen und Fraufrauen: Erstere finden „Frauenseiten“, „Frauenthemen“, „Frauenbeauftragte“ und „Frauenquoten“ konsequent überflüssig, öde, bieder und entsetzlich. „Berichterstattung aus Frauensicht“ ist für sie bedeutend mit Sozialkitsch, „Quotenfrau“ ist für sie eine böse Beleidigung. Sieben Generationen von Frauenredakteurinnen in der taz, mich mit eingerechnet, sind daran schon verzweifelt.

Woher rührt so viel Abwehr? Ich behaupte: Aus einem Impuls, der wahrscheinlich fast allen Frauen eigen ist, der die einen verrückterweise in die Frauenkampfgruppen treibt und die anderen in die antifeministischen Bataillone: Die Frauen wollen nicht auf ihr Geschlecht reduziert werden.

So wie die einen die Zähne fletschen, wenn Frauen in „sexistischer Werbung“ mit ihrem Körper gleichgesetzt werden, so bekommen die anderen Zustände, wenn an ihnen „nur das Geschlecht“ und „nicht die Leistung“ wahrgenommen wird. Zwar sind die Zeiten und die Erziehungsstile milder geworden, aber die irgendwann das eigene Leben grell beleuchtende Erkenntnis, nur ein Mädchen zu sein, dürfte immer noch keinem weiblichen Wesen erspart bleiben. Aus diesem subjektiven Gefühl der Erniedrigung und Entwertung gewinnen die einen die Überzeugung, daß nur eine kollektive Anstrengung das weibliche Geschlecht aufwerten könne.

Die anderen, die wohl auch nicht alle mit diabolischem Grinsen auf die Welt gekommen sein dürften, sondern vielleicht nur kollektivmüde oder geschichtsskeptisch sind, ziehen den individuellen Ausweg vor: Mit Händen und Füßen wehren sie sich dagegen, in einer Nische Platz nehmen zu müssen, die mit dem Schild „Nur für Frauen“ reserviert worden ist.

Daß ihr Geschlecht Schicksal sei, das wollen sie sich nicht bieten lassen. In ihrer Wut werden sie zur Not deswegen auch noch Regierungschefin. Oder auch Chefredakteurin.